Mehr Fairness für einen oft unfair behandelten Kontinent

Die afrikanische Erfolgsstory ist nicht so erfolgreich wie erwartet. Dennoch gibt es durchaus positive Entwicklungen. Vieles braucht einfach mehr Zeit.

Bei der Diskussion über die Gründe für die Rückständigkeit Afrikas gibt es zwei Narrative, die gern bedient werden. Das erste lautet: Am Unglück des Schwarzen Kontinents ist der Westen schuld. Zuerst wurde Afrika im Kolonialismus missbraucht und wurden die Menschen versklavt. Später kamen dann die Weltbank und internationale Konzerne, die bis heute dafür sorgen, dass Land und Menschen ausgebeutet werden. Das zweite lautet: An Afrikas Unglück sind die Afrikaner selbst schuld. Trotz 1,5 Billionen Dollar an Entwicklungshilfe, die in den vergangenen 50 Jahren geflossen sind, gibt es nur Krieg und Korruption. Anstatt zu arbeiten, wollen Afrikaner nur die Hand aufhalten.

Beide Erklärungen sind in ihrer Apodiktik falsch. In beiden steckt aber auch das berühmte Körnchen Wahrheit. So liegt der Kolonialismus zwar schon lang zurück, dennoch leiden viele Länder in Afrika immer noch unter einer Grenzziehung auf dem Schreibtisch in London oder Paris, die sich um ethnische Siedlungsstrukturen einfach nicht gekümmert hat. Und dass der Zusammenschluss verschiedener Völker in einen Staat oder Staatenteil politischen Sprengstoff bergen kann, sollte man in Europa mit Blick auf Nordirland, Elsass-Lothringen oder Ex-Jugoslawien wissen.

Und es stimmt auch, dass vor allem im Rohstoffsektor Schmiergeldzahlungen ausländischer Firmen an lokale Beamte und Politiker gang und gäbe waren und oft immer noch sind. Gleichzeitig ist es aber natürlich vor allem die Verantwortung der afrikanischen Völker, dafür zu sorgen, dass sie anstatt von Despoten und Kleptokraten von Politikern regiert werden, die im Interesse ihrer Bevölkerung und nicht ihres Schweizer Bankkontos agieren.

Ein Blick auf die Fakten zeigt aber ohnehin, dass sich Afrika – auch wenn die Erfolgsstory der vergangenen Jahre vor allem auf einer Rohstoffblase basiert ist – langsam, aber doch in die richtige Richtung entwickelt. Gab es etwa in den 1960ern, 1970ern und 1980ern eine einzige Regierung im Subsahara-Afrika, die friedlich abgewählt worden ist, sind freie Wahlen heute in vielen afrikanischen Ländern an der Tagesordnung. Länder wie Sierra Leone, Liberia, Mozambique oder Angola, die in den 1980er- und 1990er-Jahren von langen und sehr grausamen Bürgerkriegen gebeutelt wurden, sind inzwischen weitgehend befriedet und arbeiten an der Stabilisierung der politischen und wirtschaftlichen Strukturen.

Das bringt auch erste Erfolge: So ist die Zahl der Afrikaner, die in absoluter Armut leben (weniger als zwei Dollar pro Tag) seit 2000 von 58 auf 41 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der Kinder, die zumindest eine elementare Schulausbildung erhalten, von 60 auf 80 Prozent gestiegen. Allerdings ist es wohl auch falsch, immer von einem Afrika zu sprechen. Denn der Kontinent besteht aus 54 Einzelstaaten, die zum Teil sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Entwicklungen haben.


Die politische Entwicklung Afrikas südlich der Sahara geht in der Regel also in die richtige Richtung. Die wirtschaftliche zieht hierbei jedoch oft nur langsam nach. Was kann der Westen also machen, um dabei zu helfen? Sinnvoll wäre sicherlich, den Zugang zur Entwicklungshilfe zu überdenken. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele afrikanische Ökonomen kritisieren, dass vom Norden ohne Gegenleistung verteilte Millionen korrupte und unfähige Regierungen im Sattel halten und das wirtschaftliche Selbstbewusstsein vieler Menschen vor Ort zerstören. Das Geld wäre sinnvoller in Form von Mikrokrediten für lokale Geschäftsleute verwendet, so die Experten.

Außerdem sollten Europa und die USA ihr unfaires Spiel bei Agrarprodukten beenden. Zwar gibt es kaum direkte Exportsubventionen mehr. Diese braucht es aber auch gar nicht. So verdient etwa die europäische Agrarindustrie beim Verkauf subventionierter Hühnerbrüste auf dem Heimmarkt so viel, dass sie den Rest der Tiere auch ohne zusätzliche Förderung billig genug nach Afrika exportieren kann, um dort die lokale Konkurrenz zu erdrücken. Seit 2010 hat die EU ihre Geflügelexporte nach Afrika fast verdoppelt.

Afrika braucht weniger Mitleid, sondern mehr ehrliches Interesse. Und auch einfach etwas mehr Zeit.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2017)

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