Türkei entlässt mehr als 8300 Mitarbeiter aus dem Staatsdienst

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Zugleich drohte die Regierung Auslandstürken per Dekret mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft - falls sie die Aussage vor einem Gericht verweigern.

Auf Anweisung der Regierung haben in der Türkei erneut tausende Polizisten, Verwaltungsbeamte und Wissenschafter ihre Anstellung im Staatsdienst verloren. Von der Entlassungswelle, die die Regierung in der Nacht zum Samstag als Reaktion auf den Putschversuch Mitte Juli per Dekret anordnete, sind 8390 Staatsbedienstete betroffen. Außerdem verbot die Regierung 83 Vereine.

Ein weiteres Dekret droht Auslandstürken mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft, wenn sie eine Aussage vor türkischen Gerichten verweigern.

Seit Beginn des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch wurden bereits mehr als 100.000 Menschen in der Türkei vom Dienst suspendiert. Die jüngsten Entlassungen betreffen unter anderem 2.687 Polizisten, 1.699 Beamte des Justizministeriums sowie 838 Beamte des Gesundheitsministeriums.

Auch hunderte Beamte anderer Ministerien sowie 631 Hochschulangestellte und acht Mitglieder des Staatsrates verlieren ihre Posten. 276 Staatsangestellte, die von früheren Suspendierungen betroffen waren, wurden per Dekret rehabilitiert und dürfen in den Dienst zurückkehren.

Mehr als 80 Vereine wurden wegen "Aktivitäten, die die Sicherheit des Staates bedrohen", verboten, hieß es in den Erlassen weiter. Darunter sind auch acht Sportvereine, die meisten von ihnen aus dem kurdisch dominierten Südosten der Türkei.

Außerdem wird Türken, die sich im Ausland befinden, mit dem Entzug der türkischen Staatsbürgerschaft gedroht, wenn sie einer Einbestellung durch die türkischen Behörden zur Aussage nicht binnen drei Monaten Folge leisten.

Westliche Partnerländer der Türkei sowie Menschenrechtsorganisationen hatten sich in den vergangenen Monaten wiederholt besorgt über die Repressionen geäußert. Die türkische Regierung macht die Bewegung des im US-Exil lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Sie rechtfertigt die Massenentlassungen damit, den Einfluss Gülens durch seine Anhänger auf den Staatsapparat zurückzudrängen.

Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete inzwischen, das Parlament in Ankara werde am Montag mit der Beratung der neuen Verfassung beginnen. Die Vorlage soll die Türkei erstmals in ihrer Geschichte zur Präsidialrepublik machen. Einen Ministerpräsidenten gäbe es dann nicht mehr, die Macht läge in den Händen des Präsidenten. Anders als bisher könnte der Präsident dann auch seine Parteizugehörigkeit behalten.

Kritiker fürchten, Präsident Recep Tayyip Erdogan wolle durch die neue Verfassung seine Machtfülle weiter ausbauen. Die Regierung verweist darauf, dass auch die USA eine Präsidialrepublik seien und dass diese Staatsform eine besonders effektive Regierungsführung ermögliche.

Laut Anadolu sollen die parlamentarischen Beratungen über die Vorlage etwa zwei Wochen dauern. Erdogans Partei AKP liegt im Parlament knapp unter der erforderlichen Drei-Fünftel-Mehrheit und ist auf Stimmen der rechtsgerichteten Partei MHP angewiesen. Nach der Verabschiedung im Parlament muss der Verfassungstext binnen 60 Tagen den Wählern zur Abstimmung vorgelegt werden.

(APA/AFP)

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