Soko Brunnenmarkt: Datenschutz lockern

Ende November wurde Francis N. auf unbestimmte Zeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Ende November wurde Francis N. auf unbestimmte Zeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.APA/ROLAND SCHLAGER
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Erst am 20. März wird der Endbericht der Soko Brunnenmarkt „abgesegnet“. Es zeichnet sich ab: Nach dem gewaltsamen Tod einer Frau am Brunnenmarkt will die Kommission, dass der Datenschutz gelockert wird.

Wien. Der mit Spannung erwartete Endbericht der Soko Brunnenmarkt wird doch nicht, wie ursprünglich angepeilt, dieser Tage (Jahresbeginn) präsentiert. Nach einer Sitzung am Montag ist nun der Vorsitzende der Soko, der hohe Wiener Zivilrichter Helfried Haas, erst noch damit befasst, einen schriftlichen Bericht zu entwerfen.
Die Endfassung soll am 20. März den 19 Soko-Mitgliedern vorgelegt – und von diesen per Abstimmung Punkt für Punkt fixiert werden. Die zentrale Forderung der Soko: Bessere Vernetzung von öffentlichen Stellen, etwa von Polizeiwachen, psychiatrischen Krankenhäusern und der Stadt Wien.

Die Sonderkommission wird auch gesetzliche Änderungen vorschlagen. Haas zur „Presse“: „Es scheint uns in bestimmtem Umfang notwendig, dass der Datenschutz gelockert wird. Wir empfehlen also teilweise gesetzliche, teilweise administrative Änderungen.“ Haas gibt aber zu bedenken, dass derzeit eben noch kein endgültiger Bericht vorliege.

Die Sonderkommission wurde von ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter eingerichtet. Sie besteht aus hochrangigen Vertretern der Polizei, der Justiz, der Psychiatrie, der Sozialarbeit etc. Die Umsetzung der gesetzliche Änderungen, die nach derzeitigem Stand im Endbericht empfohlen werden, sind dann Sache des Parlaments.

Der Anlass für die Bildung der Soko war eine Bluttat am Wiener Brunnenmarkt. Am 4. Mai 2017 hatte ein bezirksbekannter junger Obdachloser aus Kenia eine 54-jährige Passantin, die auf dem Weg zur Arbeit war, mit einer Eisenstange erschlagen. Ende November des Vorjahres wurde Francis N. auf unbestimmte Zeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Da der Mann als schizophren und damit als zurechnungsunfähig eingestuft wurde, blieb ihm eine Verurteilung wegen Mordes und damit auch eine Haftstrafe erspart.

Versagen öffentlicher Stellen

Nach der Tat war eine öffentliche Diskussion um schweres Behördenversagen entbrannt. Denn: N. war ortsbekannt. Er fiel in der Brunnenmarkt-Gegend immer wieder als aggressiver Obdachloser auf. Zudem: Er hatte auch schon früher (Mai, Juni 2015) Frauen attackiert. Die Opfer waren aber mit leichten Verletzungen davon gekommen. Auch standen bereits zwei Vorverurteilungen (Drogen, Gewalt) zu Buche. Selbstverständlich hätte man diese Vorfälle auch schon vorher in diversen Behördenakten finden können. Diese Informationen wurden aber nicht entsprechen zusammengeführt. Dies müsse sich laut Soko ändern.

Ein Beispiel: Wird jemand im öffentlichen Raum aggressiv und von der Polizei dem Amtsarzt oder einem Psychiater vorgeführt, sollten diese Mediziner in alte Krankenakten einsehen können. Nur so kann – klarerweise – ein Gesamtbild erstellt werden. In einem solchen Fall solle künftig die durch Datenschutz und Amtsgeheminis eintretende „Bremswirkung“ beseitigt werden, so Haas.
Zuletzt hatte auch die teils schleppende Kooperation zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft (wobei die Polizeiinspektion Brunnenmarkt von Haas ausdrücklich gelobt wird) für Unverständnis gesorgt. Haas: „Wir zeigen nun auf, wo es Defizite gibt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11. Jänner 2017)

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