Waagner-Biro: Prestigeprojekte - ja, aber nicht um jeden Preis

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Der Stahlbauspezialist ist dank spektakulärer Bauten weltberühmt. Jetzt auch durch die Elbphilharmonie.

Wien. Welcher Konzernchef blickt aus seinem Büro direkt auf ein Projekt aus seinem Unternehmen, das sogar zu einem Wahrzeichen der Heimatstadt wurde? Thomas Jost kann das. Die Drehscheibe, auf der das rotierende Restaurant am Wiener Donauturm sitzt, wurde von Waagner-Biro gebaut. Das war 1962. Da war das von Rudolf Philipp Wagner und Anton Biro 1854 gegründete Unternehmen schon 108 Jahre alt. Und hatte bereits einen internationalen Ruf als Stahlbauer, der sein Know-how auch bei Brücken und Bühnentechnik erfolgreich umsetzte.

Noch einmal mehr als 60 Jahre später gibt es eigentlich keine architektonisch anspruchsvolle Glas-Stahl-Konstruktion, keine spektakuläre Brücke und auch kein modernes Opernhaus oder Theater mehr, wo Waagner-Biro nicht mit dabei war. „Unser Umsatzanteil in Österreich bewegt sich nur bei ein bis zwei Prozent“, umreißt Jost im Gespräch mit der „Presse“ die Exportorientierung. Großprojekte in Österreich wie die Bühnentechnik für die Wiener Staatsoper und das Burgtheater und die Komplettsanierung des Schönbrunner Palmenhauses sind schon lange her. Auch der Hangar 7 in Salzburg hat schon ein paar Jahre auf dem Flugdach.

Und so befindet sich auch das jüngste – und sicherlich eines der in jeder Hinsicht außergewöhnlichsten – Prestigeprojekte der Wiener Engineering-Schmiede im Ausland: Für die Hamburger Elbphilharmonie, die heute, Mittwoch, nach massiven Kostensteigerungen und erheblichen zeitlichen Verzögerungen eröffnet wird, hat Waagner-Biro alle Bühnenanlagen gefertigt. Die Herausforderung bestand im großen Konzertsaal darin, dass die Sitzränge rund um die Bühne angeordnet sind. Um die Akustik zu garantieren, sitzt das Orchester nicht auf einem, sondern auf 26 größeren und fünf kleineren Podien, die bewegt werden können. „Für so einen Auftrag hätten wir normalerweise nur 18 Monate gebraucht,“ stellt Jost klar, dass nicht Waagner-Biro Schuld an den Verzögerungen habe.

Von utopischen Projekten, deren Umsetzung extrem schwierig - und daher langwierig – ist, kann Jost ein Lied singen. Ist doch Waagner-Biro seit nunmehr 40 Jahren in den Golfstaaten tätig und hat dort seither mehr als 20 größere Projekte abgewickelt. Dazu gehört das – noch – höchste Haus der Welt, der Burj Khalifa in Dubai, die Dubai Festival City und das im Dezember eröffnete Etihad-Museum, das Capital Gate und das Marina-Hotel in Abu Dhabi. Und nicht zuletzt der Louvre, bei dem die Wiener ihr ganzes Können ausgespielt haben: Die Kuppel mit 180 Metern Durchmesser ruht auf nur vier Stützen und scheint daher zu schweben – obwohl 5000 Tonnen Stahl verarbeitet worden sind. Auch der Ableger des Pariser Weltmuseums wartet noch auf seine Eröffnung – „wir sind fertig, aber die Haustechnik noch nicht“, erzählt Jost.

Präzision und Topqualität in allen drei Geschäftssparten sind die Visitenkarte des 162 Jahre alten Unternehmens. Die Reichstagskuppel in Berlin, die Hofüberdachung des British Museum und die Brücke über das Goldene Horn in Istanbul sowie die Botlek Bridge in Rotterdam sind nur einige weitere bekannte Beispiele. Um ein Projekt erfolgreich umzusetzen, bedürfe es aber mehr als nur Qualität, betont Jost. „Es muss eine Balance zwischen Spitzentechnik, Zeitrahmen und den Kosten geben – nur so funktioniert das Projektgeschäft.“ Das beherzige man bei Verhandlungen. Nachsatz: „Wir haben beim Louvre viel gelernt, heute würden wir den Louvre nicht mehr bauen.“

Rückzug aus dem Nahen Osten

Generell lässt Jost, der 25 Prozent an Waagner-Biro hält (36,39 Prozent hat der Industrielle Herbert Liaunig), deshalb die Finger von Projekten, bei denen diese Kriterien nicht im Einklang stehen. Dementsprechend musste das Unternehmen schon schlechte Erfahrungen machen. Manch ein Prestigeprojekt verschaffte dem Konzern zwar internationale Bekanntheit, verursachte aber finanzielle Probleme.

Deshalb hat man sich auch etwas aus der Golfregion zurückgezogen. Die infolge des niedrigen Ölpreises nicht mehr so prallen Staatskassen lassen die Scheichs nämlich Projekte ganz einstampfen oder bei doch geplanten gewaltig auf den Preis drücken. Da mache man nicht mit, schließlich gelte es, das gute Image zu erhalten.

Der Fokus liegt jetzt wieder mehr auf Europa, wobei Russland dazugezählt wird. Dort steht St. Petersburg im Vordergrund: Mit dem 462 Meter hohen Lakhta-Tower, in den das Hauptquartier des Energieriesen Gazprom einziehen will, steht wieder ein Großprojekt auf dem Programm. Im neu gestalteten Marinskij-Theater hat Waagner-Biro ebenfalls Hand angelegt.

Mittelstand büßt für Große

Produziert werden die technischen Wunderdinge schon lange nicht in Österreich, im Jahr 200 wurde das Werk in Stadlau geschlossen. Fabriken stehen in Großbritannien („wir bleiben trotz Brexit dort“), in Indonesien, wo 120 Brücken pro Jahr gebaut werden, und in Dubai.

Der Konzernsitz ist aber in Österreich – und rund 300 der insgesamt 1475 Mitarbeiter. Wird das so bleiben – angesichts hoher Lohnkosten und Steuern? Jost denkt lange nach, bevor er antwortet: „Zwingend ist das nicht, aber wir haben keine konkreten Pläne.“

Mit Kritik am (nicht vorhandenen positiven) Wirtschaftsklima zögert er indes nicht eine Sekunde. „Es geht nicht so sehr um die Höhe der Steuern, es geht um die Bürokratie, wir werden mit Vorschriften umgebracht.“ Der Mittelstand müsse dafür büßen, dass die Finanzverwaltung Großkonzerne, die zugegebenermaßen legal Steuerschlupflöcher nützten, nicht im Griff hat. Das behindere die Produktivität, weil „jedes Formular natürlich Mehrkosten verursacht“. Die Themen seien ja nicht neu: Ihm liegen die Verwaltungs- und die Bildungsreform besonders am Herzen. Vor allem Letztere. Denn: „Leistung muss was wert sein.“ [ Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2017)

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