Auch 2017 bleibt die Integration enorme Herausforderung

Integrationspolitische Ziele: Beschäftigung und Verbindlichkeit von Werten.

Die mediale Berichterstattung lässt den Eindruck entstehen, die Herausforderungen der Flüchtlingsintegration hätten an Dringlichkeit verloren. Zwar hat sich der Zustrom von Asylsuchenden im Vergleich zu 2015 reduziert, tatsächlich sind aber auch im vergangenen Jahr deutlich mehr Asylsuchende nach Österreich gekommen als in den Jahren davor.

Knapp 20.000 Menschen haben in Österreich Asyl erhalten – und auch heuer wird diese Zahl wieder hoch sein. Es braucht Lösungen zu Fragen von zunehmender Dringlichkeit: Wie können Flüchtlinge in Beschäftigung gebracht werden? Wie ist die stetig anwachsende Zahl an Mindestsicherungsbeziehern in den Griff zu bekommen? Welche Handhabe gibt es gegen jene, die gegen Regeln des Zusammenlebens verstoßen und die Werte eines demokratischen Gesellschaftsmodells nicht akzeptieren?

Die zentrale Herausforderung ist nach wie vor die Beschäftigung von Flüchtlingen. Zwischen 2009 und 2016 gab es eine Verdreifachung der Arbeitslosigkeit bei Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten. Ende 2016 waren deutlich über 120.000 Ausländer in Österreich arbeitslos gemeldet, was fast einem Drittel aller Arbeitslosen entspricht. Knapp 30.000 von ihnen waren Flüchtlinge, Tendenz steigend.

Gemeinnützige Beschäftigung

Derzeit kommen monatlich mehr als 1000 Flüchtlinge in die Mindestsicherung hinzu. Beschäftigung ist aber, neben dem Erlernen der deutschen Sprache, die wichtigste Voraussetzung für Integration. Arbeitsfähige Menschen dürfen nicht zu Almosenempfängern verkommen. Es ist nötig, sie möglichst bald selbsterhaltungsfähig werden zu lassen.

Den Bezug der Mindestsicherung an verpflichtende gemeinnützige Arbeit zu koppeln ist sinnvoll: Wer von der Allgemeinheit lebt, soll auch etwas zum Gemeinwohl beitragen. Beschäftigung sorgt nicht nur bei Flüchtlingen für einen geregelten Tagesablauf, sondern auch bei der Bevölkerung für bessere Akzeptanz.

Werte haben ihren Preis

Die Erfahrungen zeigen auch: Nicht alle, die zu uns gekommen sind, um Schutz und eine neue Heimat zu finden, wollen sich mit Österreich identifizieren. Eine bedenklich hohe Zahl an Flüchtlingen befürwortet nicht unbedingt die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau oder stellt religiöse Gebote über staatliche Gesetze. Österreich investiert inzwischen beträchtliche Ressourcen in Werte- und Orientierungskurse, um Flüchtlingen jene Werte zu vermitteln, auf denen unser demokratisches Gesellschaftsmodell basiert: auf Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, individueller Freiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau.

So entspricht eine Vollverschleierung keinem Gesellschaftsbild der Gegenwart. Ein Verbot der Vollverschleierung würde zeigen, dass Offenheit und Toleranz nicht durch deren Gegenspieler missbraucht werden können. Die Diskussion dazu ist zugleich ein Musterbeispiel der Wertedebatte. Wer nämlich bei einer Vollverschleierung im öffentlichen Raum Ausnahmen für Touristinnen aus dem arabischen Raum machen will, hat nicht verstanden, worum es im Zusammenleben geht. Werte sind mehr als Geldwerte, auch wenn sie ihren Preis haben.

Bereits seit Sommer 2016 liegt der Entwurf für ein neues Integrationsgesetz von Integrationsminister Sebastian Kurz auf dem Tisch. Ebenso lang wird es aus unwürdigen Motiven in der Regierung verschleppt. Das ist zugleich kurzsichtig und verantwortungslos, denn im Integrationsbereich besteht nach wie vor dringender Handlungsbedarf. 2017 wird in der Integration nichts einfacher werden.

Franz Wolf ist Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2017)

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