"Stratofortress"-Bomber verliert Triebwerk über den USA

B-52 Stratofortress
B-52 StratofortressUSAF
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Bald nach dem Start in North Dakota lösen sich ein oder zwei der acht Triebwerke und krachen aus großer Höhe zu Boden. Schäden blieben aus, aber die Debatte um neue Motoren für die alten Bomber wird angefeuert.

Ein nicht alltäglicher Zwischenfall hat sich, wie die Luftfahrt- und Militärplattformen "The Aviationist" und "DefenseNews" berichten, vor wenigen Tagen über dem amerikanischen Prärie-Bundesstaat North Dakota ereignet: In der Nähe der Luftwaffenbasis Minot unweit der kanadischen Grenze hat einer der "Dinosaurier" der US Air Force, ein strategischer Bomber Typ B-52H "Stratofortress" von Boeing, eines seiner acht Triebwerke im Flug verloren.

Der Jet des 5. Bombergeschwaders, stationiert auf der Minot AFB, verlor das Triebwerk des Herstellers "Pratt & Whitney", Modell TF33, demnach schon bald nach dem Start in Minot während eines Übungsfluges mit fünf Besatzungsmitgliedern. In dem dünn besiedelten Bundesstaat fiel das etwa zwei Tonnen schwere Triebwerk irgendwo in Brachland und richtete keinen Schaden an.

Nähere Details wurden seitens der Air Force nicht bekanntgegeben - so war vorerst etwa nicht klar, ob wirklich nur ein einzelnes Triebwerk und nicht gleich eine von vier Triebwerksgondeln als Ganzes abbrach - an jeder dieser Gondeln sind nämlich zwei Pratt & Whitneys nebeneinander montiert.

Gut zu sehen: die vier Triebwerksgondeln mit je zwei Motoren TF33 von Pratt & Whitney.
Gut zu sehen: die vier Triebwerksgondeln mit je zwei Motoren TF33 von Pratt & Whitney.Mark Kwiatkowski/Airliners.net

Die B-52 kehrte sicher zur Basis zurück; immerhin soll der Verlust einer oder zwei von acht Antrieben das Flugvermögen nur mäßig beeinträchtigen. Allerdings dürfte der Vorfall laut Aviation Weekly eine alte Debatte befeuern: Ob man die jahrzehntealten TF-33-Triebwerke (Erstflug 1958, produziert bis 1985) der Bomber, welche schon ihrerseits, wenngleich vielfach modernisierte, Methusalems der Lüfte sind - Indienststellung ab 1955, Bauzeit bis 1962 -, nicht grundsätzlich überholen oder gleich durch modernere Systeme ersetzen sollte, die leiser und verbrauchsarmer sind.

Die unverwüstlichen Festungen am Himmel

Angesichts der Tatsache, dass die Lebensdauer der etwa 76 noch einsatzbereiten unverwüstlichen "Stratosphärenfestungen" (gebaut wurden einst etwa 744 Stück) bis in die 2040er-Jahre verlängert worden ist, wäre die Investition wohl sinnvoll. Bis dahin sollten die B-52 komplett von den in Bau befindlichen B-21 "Raider"-Tarnkappenbombern von Northrop Grumman abgelöst worden sein.

Konzeptskizze der B-21 "Raider"
Konzeptskizze der B-21 "Raider"USA/Northrop Grumman

Die riesigen Unterschall-Flugzeuge (Länge 48 Meter, Spannweite 56 Meter) mit ihrer phänomenalen Einsatzflugweite von 14.000 bis 15.000 Kilometern ohne Zusatztanks (mit Tanks bis 20.000 km) waren und sind eines der drei Kernelemente der US-Nuklearstreitkräfte, wenngleich ihre nukleare Bedeutung ab Ende der 1960er zugunsten landgestützter Interkontinentalraketen und vor allem solcher auf U-Booten zurückging. Zudem wurde die Überlebensfähigkeit großer Bomber angesichts moderner und dichter Luftabwehrsysteme wie jener der UdSSR sowie von Jagdflugzeugen als immer geringer eingeschätzt.

Im Übrigen ist die B-52 alles andere als ein Tarnkappenbomber und erzeugt im Radar ein kräftiges Echo, weshalb man versuchte und versucht, dem durch Störsender entgegenzuwirken - und lange Zeit durch das Mitführen kleiner, abwerfbarer und automatisch fliegender Ablenkungsflugkörper McDonnell ADM-20 "Quail", die für fremdes Radar B-52-Bomber simulierten.

Ikonische Bilder von Flächenbombardements

Faktisch kam die B-52 nur in konventionellen Rollen zum Einsatz, wobei sie eine Waffenlast von rund 31 Tonnen mit sich führen kann; dabei wird sie indes von der B-1 "Lancer" von Rockwell (heute ebenfalls Boeing) mit ihren 34 Tonnen Waffenlast - theoretisch durch Außenstationen steigerbar auf fast 60 Tonnen - übertroffen, ebenso von der russischen Tupolew Tu-160 "Blackjack" (40 Tonnen), dem größten Kampfflugzeug der Welt.

B-52 über Vietnam, 1965
B-52 über Vietnam, 1965US National Archives/USAF

Im Vietnamkrieg flogen B-52-Bomber massive Flächenbombardements mit herkömmlichen Freifallbomben nach Art des Zweiten Weltkriegs; die Bilder wurden ikonisch, ebensolche Flächeneinsätze gab es auch im Golfkrieg 1990/91 gegen irakische Truppenansammlungen. In den 1980ern wäre es bei einem Angriff des Warschauer Pakts auf die Nato zu erwarten gewesen, dass ganze Geschwader von B-52, massiv eskortiert von Nato-Jägern, feindliche Truppenkonzentrationen im westdeutschen Hinterland, etwa an den Rheinbrücken und im deutsch-niederländisch-belgischen Grenzraum, mit einem Stahlhagel eindecken würden.

Neue Rolle als taktischer Bomber

Spätestens in den 1990ern wurden die B-52 vorrangig für den Einsatz von gelenkten Präzisionswaffen wie Marschflugkörpern umgewidmet; letztlich sogar für laser- und GPS-gelenkte Bomben, weshalb der an sich strategische Bomber heute auch eine eminent taktische Rolle einnehmen kann. Etwa zur Luftunterstützung über Gefechtsfeldern, besonders dort, wo keine nennenswerte Luftabwehr oder Jägergefahr zu erwarten ist.

Im Kampf gegen Islamisten in Afghanistan oder den "Islamischen Staat" (IS) im Irak und Syrien kommt der B-52 dabei auch ihre enorm lange Flugzeit zugute: Sie kann, anders als Jagdbomber oder Erdkampfflugzeuge, stundenlang auch ohne Luftbetankung über einer Region "herumlungern" (im Englischen: to loiter) und nach Belieben Präzisionsbomben abwerfen.

Mögliche Zuladungen einer B52H Stratofortress, Barksdale Air Force Base, Louisiana (USA), 2006.
Mögliche Zuladungen einer B52H Stratofortress, Barksdale Air Force Base, Louisiana (USA), 2006.USAF, TSgt Robert Horstman

Man kann froh sein, dass jene Stratofortress jetzt über North Dakota nur ein (oder zwei) Triebwerke verloren hat: Mehrfach fielen nämlich Nuklearbomben aus B-52 - in der Regel bei Zusammenstößen oder schweren technischen Defekten im Flug, oder sie stürzten zusammen mit ihren Flugzeugen ab: etwa 1959 in Kentucky, 1961 in North Carolina, 1964 in Maryland, 1966 in Südspanien, 1968 bei Thule im Norden von Grönland.

Als Atombomben abstürzten

Bei dem Unfall über bzw. in Spanien nahe Palomares (Andalusien) fielen drei Wasserstoffbomben auf Land und eine ins Meer. Letztere wurde erst nach zweieinhalb Monaten geborgen, bei zwei der anderen Bomben waren die Zünder aus konventionellem Sprengstoff explodiert, das Kernmaterial zündete nicht, aber viel Plutonium wurde verstreut und verseuchte ein großes Gebiet.

Bei der Bergung der Bombe aus dem Meer dürfte den Mannschaften spätestens dann besonders mulmig geworden sein, als die zylinderförmige Waffe, die zunächst in 780 Meter Tiefe von einem Mini-U-Boot in einem steilen Canyon gefunden worden war, beim ersten Hochziehversuch aus dem Bergungsgerät flutschte und danach 100 Meter tiefer als zuvor zu liegen kam.

Die vor Palomares (Andalusien) 1966 aus dem Meer gefischte Wasserstoffbombe Modell Mark 28RI (wohl rund 1 bis 1,4 Megatonnen TNT-Äquivalent Sprengkraft)
Die vor Palomares (Andalusien) 1966 aus dem Meer gefischte Wasserstoffbombe Modell Mark 28RI (wohl rund 1 bis 1,4 Megatonnen TNT-Äquivalent Sprengkraft)U.S. Navy

Bezüglich des Thule-Ereignisses in Grönland gehen noch heute Berichte um, dass eine der vier Bomben der damals abgestürzten B-52 im Eis verborgen liege. 2008 wollte die BBC das herausgefunden haben, noch 2014 stellte es David Cenciotti von "The Aviationist" in einem Nebensatz als Faktum dar.

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