Wie weit reicht Moskaus Arm?

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Nach Trumps Sieg befürchtet man die Einflussnahme des Kreml auf europäische Politik. Studien bestätigen eine gesteigerte Aktivität im öffentlichen Raum.

Washington/Berlin. Mit seiner jüngsten Aussage dürfte James Clapper europäische Sorgen nicht zerstreut haben – im Gegenteil. Nach Einschätzung des US-Geheimdienstchefs hat Russland nicht nur in den USA versucht, Einfluss auf den Wahlprozess und das Wahlergebnis zu nehmen. Wie Clapper am Dienstag vor dem Geheimdienstausschuss des Senats erklärte, wisse man von Fällen in „ein paar Dutzend“ Staaten. Er sagte nicht, welche Länder gemeint waren und welcher Art die Intervention war.

Deutsche Sicherheitsexperten des Bundesamtes für Verfassungsschutz warnten erstmals im Dezember 2016 offen vor drohenden russischen Cyberangriffen und der Manipulation der öffentlichen Meinung im Zusammenhang mit der Bundestagswahl im September. Seit dem Jahresbeginn 2015 ist es zu russischen Hackerangriffen auf den deutschen Bundestag gekommen. Durch die Veröffentlichung privater oder kompromittierender Informationen könnten bestimmte (als feindlich definierte) Kandidaten oder der demokratische Prozess überhaupt diskreditiert werden.

Seit dem Sieg des sich im Wahlkampf betont Moskau-freundlich gebenden Kandidaten Donald Trump ist das Thema ein Dauerbrenner: Welche Instrumente benutzt der Kreml zur Einflussnahme auf demokratische Staaten? Können international ausgerichtete russische Staatsmedien wie Russia Today (RT) und Sputnik politische Prozesse zu Moskaus Gunsten beeinflussen? Sind RT und Sputnik Medien oder reine Propagandainstrumente? Und welche anderen Mittel – Hackerangriffe auf „feindliche“ Strukturen, Förderung prorussischer Milieus, Gefälligkeiten für Politiker – sind im Einsatz?

In ihrem Bericht „The Menace of Unreality“ (2014) sprachen Peter Pomerantsev und Michael Weiss davon, dass Information in der geopolitischen Auseinandersetzung als Waffe eingesetzt werde. Osteuropäische Nationen sind davon schon länger betroffen. Nun trifft es auch westliche Staaten. Eine aktuelle Fallstudie aus Schweden führt anhand der Auswertung russischer Auslandsmedien an, dass die Anzahl tendenziöser Berichte und Fälschungen sowie von Kreml-freundlichen NGOs seit Beginn der Ukraine-Krise gestiegen sei – für die Autoren ein Beleg dafür, dass Russland immer stärker „aktive Maßnahmen“ einsetze, um schwedische Nationalinteressen zu schwächen.

In der Praxis sind die Trennlinien zwischen dürftigem Journalismus, Mediakampagnen und der absichtsvollen Verbreitung von Fake News oft verschwommen. War etwa der deutsche „Fall Lisa“ eine minutiös geplante Kampagne Moskaus, um die Einwanderungspolitik von Kanzlerin Merkel zu diskreditieren und die deutsche Öffentlichkeit zu spalten? Oder passte ein schlampig recherchierter Bericht eines staatlichen TV-Kanals Außenminister Sergej Lawrow damals einfach gut in den Kram, um Berlin für das angebliche Vertuschen des Falls zu kritisieren? Fakt ist, dass russische Politiker oft von ihren eigenen Medien schlecht informiert werden – auch das gibt Anlass zur Sorge. (som)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)

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