Der designierte Präsident wittert hinter den Vorwürfen eine politische Hexenjagd. Sie seien substanzlos. Trotzdem dominierten sie die Pressekonferenz.
Wien/New York. Donald Trump hatte eine unruhige Nacht im pulsierenden Zentrum Manhattans, und er ließ die Öffentlichkeit via Twitter-Stakkato aus dem Trump Tower daran teilhaben. Eigentlich wollte der designierte US-Präsident ja in der goldgetünchten Lobby seines New Yorker Hauptquartiers seine Pläne für die ersten 100 Tage darlegen, sein Konzept für eine Steuerreform oder die Entflechtung seiner Geschäftsinteressen, seine Gedanken zur Weltpolitik. Indessen richtete sich das Interesse völlig auf seine Beziehungen zu Russland, seine allfälligen Finanzdeals und ein angebliches Sexvideo mit russischen Prostituierten in einem Moskauer Hotel im Zuge der Miss-Universe-Wahl im Jahr 2013 samt „Obsessionen und Perversionen“, wie Geheimdienstberichte insinuieren.
In seiner vorigen Pressekonferenz vor einem halben Jahr hatte Trump russische Hacker noch aufgefordert, weiter in den E-Mails seiner Konkurrentin, Hillary Clinton, zu wühlen, um belastendes Material zutage zu fördern. Neun Tage vor seiner Angelobung musste er sich nun selbst mit kompromittierenden Vorwürfen herumschlagen, die freilich noch nicht erhärtet sind. In seiner typischen Manier, in einer Mischung aus Aggressivität und Dünnhäutigkeit, ging Trump zum Gegenangriff über. „Fake News“, Falschnachrichten, so begann in Großbuchstaben sein Rundumschlag im ersten Twitter-Eintrag, der den Tenor für seine weitere Verteidigungsstrategie vorgab. „Totale politische Hexenjagd“, kommentierte er. „Ich hatte nichts mit Russland zu tun. Keine Deals, keine Kredite, kein gar nichts.“ Und am Ende jagte er im Brustton der Entrüstung den Ausruf hinterher: „Leben wir in Nazi-Deutschland?“
Putin verantwortlich
In der mit Sternenbanner drapierten Lobby schickte er erst seinen Sprecher Sean Spicer und seinen Vizepräsidenten, Mike Pence, vor, ehe er selbst Stellung nahm. Er bezeichnete die vom Onlineportal Buzzfeed publizierten Anschuldigung als „Schande“ und als substanzlos. Erstmals konzedierte er, dass Russland via Hacking in den US-Wahlkampf eingegriffen habe. Trump hat zuletzt versucht, die Arbeit der Geheimdienste in der Affäre um die russischen Cyberangriffe zu verharmlosen. Sie hatten den russischen Präsidenten Putin und seinen Geheimdienst bezichtigt.
Vorigen Freitag hatten ihn die vier US-Geheimdienstchefs im Trump Tower mit dem Dossier konfrontiert, das ein pensionierter Agent des britischen Auslandsgeheimdienst MI6 im Vorjahr in Moskau zusammengetragen hatte – erst im Auftrag der republikanischen Rivalen Trumps, später in dem von Hillary Clinton. Zugleich informierten sie auch Barack Obama über die Anschuldigungen, die seit dem Herbst auch teilweise in den USA kursieren, oft nur auf Basis von Gerüchten. Mehrere Medien lehnten damals eine Veröffentlichung ab. Die US-Spionagechefs stuften die Anwürfe jetzt zumindest als gravierend ein, wenngleich sie sie vorläufig nicht bestätigen konnten.
Der Kreml, so berichteten die US-Nachrichtendienste, habe gegen beide Präsidentenkandidaten spioniert, aber nur das Material über Clinton, ihren Wahlkampfmanager John Podesta und die Demokraten enthüllt. Das „Gift“ gegen Donald Trump behielten sie in der Hinterhand, um ihn erpressbar zu machen. Russland habe den New Yorker Immobilienmogul mit Geschäften gelockt, die er jedoch zurückgewiesen habe, wie es heißt. Zugleich habe ihm Moskau, ganz in der Spionage-Manier des Kalten Kriegs und offenbar im Wissen um dessen Vorlieben („Golden Shower“) eine Sexfalle gestellt. Darüber hinaus sollen sich Trump-Vertraute mit russischen Offiziellen während des Wahlkampfs getroffen haben, was das Trump-Lager abstreitet. Russland tut die Vorwürfe rundweg als „Pulp Fiction“, als Schund ab.
Rücktritt Manaforts
Tatsächlich hat Trump schon vor 30 Jahren erste Geschäftskontakte nach Moskau angebahnt. Ein Hotelprojekt zerschlug sich, doch reiche Russen erwarben Trump-Immobilien in den USA. Mehrere Mitglieder des Regierungsteams Trumps verfügten über exzellente Kontakte nach Russland. Paul Manafort, Trumps Wahlkampfmanager, war im Sommer wegen Korruptionswürfe im Zusammenhang mit seiner PR-Arbeit für den Putin-Vasallen Viktor Janukowitsch, den Ex-Präsidenten der Ukraine, gestürzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)