Die letzten Jahre von "Bluthund" Alois Brunner

Der Nazi-Kriegsverbrecher Alois Brunner.
Der Nazi-Kriegsverbrecher Alois Brunner.(c) APA/AFP/STRINGER
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Der aus Österreich stammende Nazi-Scherge soll laut einem Medienbericht zuletzt in einem Keller in Damaskus gelebt haben und 2001 gestorben sein. Er war für den Tod von fast 130.000 Menschen verantwortlich.

Paris/Wien. Ist das Rätsel um den letzten großen NS-Verbrecher endlich gelöst? Ein französisches Magazin will erfahren haben, was Nazi-Jäger, Journalisten, Wissenschaftler und selbst Behörden über viele Jahre versucht haben herauszufinden: Was aus Alois Brunner wurde, dem gebürtigen Österreicher und SS-Kommandeur, der während des Zweiten Weltkriegs annähernd 130.000 europäische Juden in Vernichtungslager deportieren ließ.

Das Magazin „XXI“ beruft sich auf frühere Mitglieder des syrischen Geheimdienstes. Nach ihren Angaben ist der einstige Mitarbeiter von Adolf Eichmann 2001 im Alter von 89 Jahren gestorben – unter erbärmlichen Bedingungen: Die letzten Jahre seines Lebens habe er im Keller eines Wohnblocks in Syriens Hauptstadt Damaskus verbracht.

Brunner habe „gelitten und viel geweint“, schildert einer der Männer, der Wachmann Brunners gewesen sein soll und sich Omar nennt. Zu essen habe es „Militärrationen – grässliches Zeug – sowie ein Ei oder eine Kartoffel“ gegeben.

Seit 1989 stand Brunner laut dem Bericht in seiner Wohnung im Diplomatenviertel von Damaskus de facto unter Hausarrest. Ende der 1990er-Jahre habe er aus „Sicherheitsgründen“ in den Keller umziehen müssen, wo er bis zu seinem Tod gelebt habe. „Einmal in dem Raum, schloss sich die Tür hinter ihm und öffnete sich nie wieder“, zitiert „XXI“ den Wachmann. Nach seinem Tod sei Brunner in aller Heimlichkeit nach muslimischem Ritus auf dem Friedhof al-Affif in Damaskus bestattet worden.

Dass Brunner vor einer Strafverfolgung nach Syrien geflüchtet war, wusste man – auch wenn das Regime sich stets ahnungslos gab. Tatsächlich lebte er als „Dr. Georg Fischer“ über viele Jahre unbehelligt und alles andere als geheim in der syrischen Hauptstadt. Angeblich wusste die ganze Nachbarschaft von seiner Anwesenheit, auch die westdeutsche Botschaft in Damaskus. Vermutet wird, dass er über viele Jahre für verschiedene Geheimdienste arbeitete. Die syrische Geheimpolizei soll er die Verhör- und Foltermethoden der Nazis gelehrt haben.

Brunner versteckte sich lange nicht. 1985 gab er der deutschen Zeitschrift „Bunte“ ein (aufgrund antisemitischer Ausfälle nur zensiert veröffentlichtes) Interview, 1986 interviewte ihn der „Krone“-Journalist Kurz Seinitz. Er überlebte zwei Briefbombenattentate (1961 und 1980), die dem israelischen Geheimdienst Mossad zugeschrieben wurden und bei denen er ein Auge und mehrere Finger verlor. Unklar war aber bis zuletzt, wie er die letzten Jahre verbracht hatte – und ob er noch lebte.

Brunners blutige Laufbahn begann 1938 in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien unter Adolf Eichmann, der ihn persönlich angeworben haben soll und ihn später als seinen „besten Mann“ lobte. Er organisierte die Deportation der Wiener Juden und erklärte die Stadt im Oktober 1942 für „judenfrei“, anschließend sorgte er für die Deportation von Juden in Berlin, im griechischen Saloniki, in Frankreich und der Slowakei. Laut dem Simon-Wiesenthal-Zentrum besiegelte er so das Schicksal von 128.500 Menschen. Seiner Rücksichtslosigkeit verdankte er den Spitznamen „Bluthund“.

Nach dem Krieg tauchte er zunächst unter dem Namen Alois Schmaldienst in Essen, Deutschland, unter, arbeitete sogar zwei Jahre lang für die US-Besatzung. Als er aufzufliegen drohte, flüchtete er 1953 zunächst nach Ägypten und von dort aus nach Syrien.

Den „XXI“-Bericht über die letzten Jahre des Massenmörders schätzte der französische Nazi-Jäger Serge Klarsfeld jedenfalls als „sehr glaubwürdig“ ein. Und: „Wir freuen uns zu erfahren, dass er eher schlecht als gut lebte.“ (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)

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