"Ist das jetzt Kern oder Trump, der über Mexiko spricht"

Kern stellte in Wels seine politische Agenda vor.
Kern stellte in Wels seine politische Agenda vor.APA/BARBARA GINDL
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Die Rede Christian Kerns sei perfekt inszeniert gewesen, die Emotion habe aber gefehlt, meint Meinungsforscher Bachmayer. Die Kritik des Kanzlers an Brüssel habe ihn überrascht.

Perfekte Inszenierung, aber zu wenig Emotion und Begeisterung - so fasst der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer die Rede von SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern in Wels zusammen. "Es war die Rede des Generaldirektors der Republik Österreich", sagte Politikberater und Ex-SPÖ-Kanzlersprecher Jo Kalina. Franz Schellhorn von Agenda Austria ortete unterdessen einige gute Lösungsansätze.

Dem Politikexperten und OGM-Geschäftsführer Bachmayer sind vor allem die EU-kritische Haltung Kerns sowie die intensive Behandlung des Themas Wirtschaft und Unternehmen ins Auge gestochen. Kerns harsche Botschaften in Richtung Brüssel sowie der osteuropäischen Nettoempfänger mit ihren Billig-Arbeitskräften und niedrigen Unternehmenssteuersätzen überraschten Bachmayer: "Da habe ich mir gedacht, ist das jetzt Kern oder Trump, der über Mexiko spricht." Das war eine "konkrete Kampfansage an die EU-Politik der Nachbarländer", sagte auch Kalina.

In Fragen der Wirtschaftspolitik und des Bürokratieabbaus sowie mit den Themen Leistung und Schaffenskraft sei Kern immer wieder "in das Revier der ÖVP" eingedrungen, fand Bachmayer. Dem Meinungsforscher haben in der fast zweieinhalbstündigen Ansprache aber "emotionale Spitzen" gefehlt, "obwohl einiges an Populismus drinnen war: die bösen steuerflüchtigen Konzerne, die Superreichen, die ihre Gewinne nach Panama verschieben, die Billigarbeitskräfte aus dem Osten". Da sei es der ÖVP mit der Forderung nach einer Halbierung der Obergrenze gelungen, "fast schon einen stärkeren politischen Reiz zu setzen", meinte Bachmayer.

Einige für SPÖ "schwer verdauliche" Themen

Kern habe klar auf seine Wirtschaftskompetenz und Wirtschaftserfahrung gesetzt, erklärte Kalina, der die Rede in Wels an Ort und Stelle verfolgte. Es sei Kern gut gelungen, den abstrakten "New Deal" mit Inhalten zu füllen. "Ich kann mich nicht erinnern, dass in Österreich ein Bundeskanzler je eine derartige Rede gehalten hat. Diese Rede trägt sehr lange. Die Herausforderung ist es, diese unglaubliche Fülle an Material auch abzuarbeiten", so Kalina.

Der frühere SPÖ-Parteimanager betonte, dass Kern dabei auch einige für Sozialdemokraten "schwer verdauliche" Themen angesprochen habe: Studienplatzfinanzierung, flexibles Arbeiten inklusive 12-Stunden-Tag, Senkung der Lohnnebenkosten oder die Entrümpelung des Arbeitnehmerschutzes. Dass Kern in der Frage der Zuwanderung auf die Bremse steigt, dürften ebenfalls nicht alle in der SPÖ goutieren. "Da sind genug Punkte drinnen, die auch fordernd an die eigene Gruppe sind", sagte Kalina.

Agenda Austria-Leiter Schellhorn zeigte sich über die "ausgewogenen und sehr mittigen" Ansagen Kerns überrascht. "Das war nicht das linke Programm, das manche erwartet haben", so der Chef der wirtschaftsliberalen Denkfabrik. Vor allem für den Bildungsbereich habe der Bundeskanzler einige gute Vorschläge und Ansätze geliefert. Positiv vermerkte Schellhorn auch den Vorschlag, die Kosten der Verwaltung einzufrieren und so den Druck auf die Bürokratie zu erhöhen, billiger zu werden. "Gut ist auch die Idee, alle Gesetze mit einem Ablaufdatum zu versehen. Gesetze, die sich nicht bewährt haben, würden einfach auslaufen, statt die Bürger weiter zu behindern." Brauchbar sei auch der Vorschlag neue Förderungen nur noch zu genehmigen, wenn alte gestrichen werden.

Mediale Inszenierung "geradezu perfekt"

Enttäuschend sei bei Kerns "Plan A", was die Schaffung neuer Jobs betreffe. "Hier wird auf alte Rezepte vertraut: Höhere Staatsausgaben sollen zur Vollbeschäftigung führen. Wer älter als 50 und länger als ein Jahr arbeitslos ist, soll eine Beschäftigungsgarantie vom Staat erhalten. Gezahlt wird der jeweilige KV-Lohn, auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist gut gemeint, aber enorm teuer, weil der Anreiz, sich eine Arbeit zu suchen, gedämpft wird." Auch der angedachte Mindestlohn von 1500 Euro werde die Arbeitskosten und den Druck auf Unternehmen verstärken, mehr Arbeit von Maschinen erledigen zu lassen. "Die bessere Lösung wäre, wenn der Staat den Niedriglöhnern etwas dazu zahlte." Kritisch merkte Schellhorn zudem an, dass das Thema Pensionen komplett fehlte.

Lob gab es von den Politikexperten Bachmayer und Kalina für mediale Inszenierung, Timing und Setting. "Geradezu perfekt", meinte Bachmayer. Das Bühnenbild eine "Mischung aus freundlicher Boxarena und Kirche", das dunkelrot gehaltene Setting ansprechend. "Was mir etwas gefehlt hat, war die Emotion und die entstehende Begeisterung. Es gab höflichen Applaus, aber kaum Begeisterung." Bemerkenswert fanden die beiden die Selbstkritik und Bitte um Vergebung gleich zu Beginn, die an Kerns erste Pressekonferenz als Bundeskanzler erinnert hatte. "Nicht ihr habt euren Weg verlassen, wir haben unseren Weg verlassen. Es ist nicht eure Schuld, es ist unsere", sagte Kern in Wels in Richtung abtrünniger Wähler. Bachmayer: "Mich hat die Rede auch ein bisschen an eine Predigt erinnert."

(APA)

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