IHS-Ökonom Hofer: Kern stellt "sehr gefährliche Forderung"

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Der IHS-Arbeitsmarkt-Ökonom Helmut Hofer ist nicht mit jedem Vorschlag einverstanden, den Kanzler Christian Kern zur Bekämpfung der Rekordarbeitslosigkeit gemacht hat.

Der Arbeitsmarkt-Ökonom des Instituts des für Höhere Studien (IHS), Helmut Hofer, bewertet die Vorschläge gegen die Rekordarbeitslosigkeit von SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern in seiner gestrigen Grundsatzrede positiv bis retro. Eine sektorale Arbeitsbeschränkung für EU-Bürger sei aber ein "Zurück zu den 1970er-Jahren" und "in der heutigen Zeit nicht sinnvoll", sagte Hofer zur APA. Eine der vier Grundfreiheiten der EU - Dienstleistungs-, Kapitalverkehrs-, Personen- und Warenverkehrsfreiheit - einzuschränken, wäre "ein sehr starker Eingriff" und eine "sehr gefährliche Forderung", weil dann jedes EU-Land damit beginnen könnte, warnte der Arbeitsmarktökonom. Ausländische Arbeitskräfte würden auch Inländern den Arbeitsplatz sichern, etwa ohne Restaurant-Abwäschern aus dem Ausland gebe es auch keine Jobs für Köche aus dem Inland.

Für den IHS-Ökonomen würde eine Arbeitsmarktprüfung auch wieder Probleme mit der Bürokratie schaffen, weil Unternehmen nachweisen müssten, dass sie keine Inländer für den Job finden würden.

In Kerns Grundsatzpapier "Plan A" heißt es unter dem Punkt Schutzmechanismus für den Arbeitsmarkt: "Daher wollen wir in der Europäischen Union durchsetzen, dass in Branchen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit das Instrument der Arbeitsmarktprüfung - solange eine angespannte Situation existiert - wieder eingeführt werden kann." Nur wenn sich für einen Job kein geeigneter Arbeitsloser im Inland finde, könne er ohne Einschränkungen an neu Zuziehende vergeben werden, fordert der SPÖ-Chef. Konkret sollen Bürger aus jenen Staaten, deren Lohnniveau nicht einmal 80 Prozent des österreichischen erreicht, nur dann in Österreich tätig sein können, wenn keine heimische Arbeitskraft zur Verfügung steht.

Kern-Vorschläge "aktiv und wirtschaftsfreundlich"

Hofer sieht die Vorschläge von Kern vor allem an die Sozialpartner gerichtet nach dem Motto "Wir machen den Sozialpartnern Druck, dass sie mehr weiterbringen". Die Vorschläge zur Senkung der Lohnnebenkosten, flexibleren Arbeitszeiten und Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre seien als "positiv" zu bewerten und würden "in die richtige Richtung gehen". Die Zahl von 200.000 zusätzlichen Jobs bis 2020 plus zusätzlich 156.000 Stellen durch "normales" Arbeitsplatzwachstum sieht Hofer skeptisch. "Die Regierung kann kaum Arbeitsplätze schaffen und nur die Rahmenbedingungen ändern." In den Kern-Vorschlägen sei "viel aktives und wirtschaftsfreundliches drinnen" und überraschenderweise keine Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. Die Umsetzung der Forderungen hänge aber an den Details. "Ein kurzfristiges Wundermittel" gegen die Rekordarbeitslosigkeit gebe es nicht, betonte Hofer.

Die Kern-Forderung nach einem kollektivvertraglich abgesicherten Mindestlohn von 1.500 Euro brutto wäre eine Frage der Sozialpartner, erinnert der Arbeitsmarktökonom. Eine derartige Maßnahme könnte die Frauen-Gehaltsdiskriminierung reduzieren, aber auch möglicherweise die Schwarzarbeit im Niedriglohnsektor ankurbeln und zu Jobverlusten führen. Über eine Beschäftigungsgarantie für 50-jährige Langzeitarbeitslose können man diskutieren, sie würde aber teuer werden und im internationalen Vergleich seien derartige Beschäftigungsmaßnahmen bisher "nicht sehr erfolgreich", so die Einschätzung des Ökonomen.

Wifo-Chef Badelt lobt Breite

Das Wirtschaftsforschungsinstitut beurteilt das von Kern vorgelegte Reformprogramm abwartend. Positiv findet Wifo-Chef Christoph Badelt, dass das Programm breit angelegt sei: "Es gibt Bereiche mit klarer sozialdemokratischer Handschrift, aber auch Bereiche, wo man sagt, das würde man von einem sozialdemokratischen Kanzler nicht unbedingt erwarten", sagt Badelt und verweist etwa auf das Bekenntnis zum unternehmerischen Staat.

Eine ökonomische Gesamteinschätzung könne das Wifo derzeit aber noch nicht vornehmen. Zwar nennt das Papier 8,5 Mrd. Euro an Kosten und 8,7 Mrd. Euro an Einsparungen bzw. Zusatzeinnahmen sowie 200.000 zu schaffende Arbeitsplätze. Ob das realistisch ist, kann Badelt aber noch nicht beurteilen, weil das dahinter stehende Zahlengerüst nicht bekannt ist. Badelt würde sich daher die Veröffentlichung der Berechnungen wünschen. Bemerkenswert findet Badelt, welche Themen in Kerns Rede nicht vorgekommen sind. So habe das gesamte Pensionsthema gefehlt, außerdem gebe es kein Konzept für eine umfassende Abgabenreform (Stichwort: Ökologisierung), kritisiert der Wirtschaftsforscher.

Nicht beurteilen will Badelt, ob die Einschränkung des Arbeitsmarktzugangs von Osteuropäern tatsächlich nötig wäre. Dass dieser Plan rasch umgesetzt werden kann, bezweifelt Badelt aber: "Klar ist, dass so etwas nur mit Brüssel geht."

(APA)

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