Die Zypern-Gespräche gingen am Donnerstag in die entscheidende Runde. Knackpunkt ist weiterhin die türkische Truppenpräsenz.
Genf. Unter Leitung des neuen UN-Generalsekretärs António Guterres hat am Donnerstag in Genf eine historische Zypern-Konferenz begonnen. Guterres sprach nach dem Auftakt der Konferenz am Donnerstag von „extrem konstruktiven und positiven Gesprächen“. Zugleich warnte er vor überzogenen Erwartungen hinsichtlich eines raschen Ergebnisses und betonte, dass die Verhandlungen Zeit brauchten. „Man kann keine Wunder erwarten“, sagte er vor Journalisten.
Zypern ist seit einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention 1974 geteilt. Der griechisch-zypriotische Süden ist seit 2004 EU-Mitglied. Der türkisch-zypriotische Norden wird nur von Ankara anerkannt. Nun soll die Mittelmeerinsel wiedervereinigt werden.
Neben den höchsten Vertretern der griechischen und türkischen Zyprer, Nikos Anastasiades und Mustafa Akıncı, nehmen an den Beratungen am UNO-Sitz in Genf diesmal auch die Außenminister der Türkei und Griechenlands, Mevlüt Çavuşoğlu und Nikos Kotzias, sowie der britische Außenminister, Boris Johnson, teil. Die drei Länder sind Garantiemächte Zyperns. Dazu reiste noch EU-Präsident Jean-Claude Juncker gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten, Federica Mogherini, an.
Nach einhelliger Meinung der Teilnehmer sind diese Gespräche der letzte Versuch, die Teilung zu überwinden und einen föderalen Staat mit zwei gleichberechtigten Bundesstaaten einzurichten. Mehrere Anläufe zu einer Aussöhnung gingen ins Leere, 2004 scheiterte ein von der UNO vorgelegter Plan für eine Wiedervereinigung. Im Mai 2015 wurden die Verhandlungen unter UN-Vermittlung wieder aufgenommen.
Bei der internationalen Konferenz geht es vor allem um Sicherheitsfragen, etwa darum, ob die Türkei weiter Soldaten auf der Insel stationieren darf. Dies sei der Knackpunkt der Verhandlungen, sagte Guterres. Die anderen beiden Garantiemächte sind strikt dagegen. Umstritten unter den Zyprern ist auch der genaue Grenzverlauf zwischen beiden Seiten sowie die Frage, unter welchen Modalitäten eine rotierende Präsidentschaft funktionieren soll. Sobald die wichtigsten Fragen auf dieser Ebene gelöst sind, ist vorgesehen, dass auch der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, und der griechische Premierminister, Alexis Tsipras, an den finalen Verhandlungen teilnehmen.
In einem Interview mit der „FAZ“ zeigt sich der deutsche Zypern-Experte Hubert Faustmann skeptisch, dass eine rasche Lösung gefunden werde. Es sei nämlich noch völlig unklar, ob Erdoğan eine Lösung wolle oder nicht. Er glaubt, dass viel von der derzeitigen Debatte über ein Präsidialsystem in der Türkei abhänge. Erdoğan sei der Schlüsselfaktor; er brauche für ein Verfassungsreferendum die Stimmen der türkischen Nationalisten. Mit Konzessionen in der Zypern-Frage würden diese verschreckt. Die Zypern-Gespräche könnten daher bis nach dem Referendum hinausgezögert werden. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)