Hochleistungssport mit Alkohol

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FRANCE-GASTRONOMY-WOMEN-WINE-VINICULTURE-HERITAGEAPA/AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT
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Bei einem Sommelier-Wettbewerb müssen nicht nur Weine unter Zeitnot erkannt und umfassend beschrieben werden. Es werden auch schwierige Situationen mit Gästen simuliert.

Ein Weinglas gekonnt schwenken, einen kleinen Schluck nehmen, diesen im Mund ein paar Mal hin- und herschieben und wieder ausspucken, um dann sein Urteil abzugeben. Dieses Verkostungsprozedere wird gemeinhin mit der Arbeit eines Sommeliers verbunden. Dass da aber noch viel mehr dazugehört – vom Wissen über alle Getränke sowie Käse über das Management des Weinlagers bis hin zur raschen und freundlichen Wunscherfüllung komplizierter Gäste –, wird hingegen weniger oft gesehen.

Innerhalb der Branche wird die Arbeit der Sommeliers aber gern mit Spitzensport verglichen – vor allem, wenn es darum geht, sich einer Jury zu stellen. „Die Kandidaten werden stark in die Irre geführt, und das unter enormem Zeitdruck“, sagt dazu Sommelière Dagmar Gross, die unlängst bei einer Meisterschaft in Hongkong zu Gast war. So müssen Sommeliers neben der Blindverkostung und der Prüfung ihres Fachwissens auch knifflige Service-Simulationen meistern. „In Hongkong wurde verlangt, den Inhalt einer Doppel-Magnum-Flasche auf 18 Gläser genau aufzuteilen, allerdings ohne ein zweites Mal nachzuschenken. Zum Schluss waren es nicht einmal 18 Gläser“, sagt Gross. Oder eine Weinkarte musste auf Fehler überprüft werden. „Da stand etwa ein Grüner Veltliner, Smaragd Kollmütz von Rudi Pichler aus dem Kremstal. Alle Teilnehmer in Hongkong wussten sofort, dass das nicht stimmt, er ist in der Wachau. Das hat mich schon sehr beeindruckt.“

Mindestens genauso streng geht es bei den Blindverkostungen zu. Da müssen Weine nicht nur hinsichtlich Rebsorte, Region oder Jahrgang erkannt werden, sondern auch Säure- und Alkoholgehalt, Potenzial des Weines oder die ideale Speisebegleitung genannt werden. „Wenn man einen Parameter vergisst, wird sofort ein Punkt abgezogen“, erklärt Gross. Die Präsentation muss entweder auf Englisch oder Französisch, jedenfalls nicht in der eigenen Muttersprache, abgehalten werden.

Der Tiroler Sommelier Suvad (Suwi) Zlatic, der Österreich bei der Europameisterschaft vertritt, bereitet sich derzeit dementsprechend vor. Vier bis sechs Stunden arbeitet er täglich an seinem Weinwissen. „Kurz vor der EM werden es noch mehr werden.“

An die 15 bis 20 Weine kostet er pro Tag, er wolle sich noch auf 30 bis 40 steigern, zuzüglich Spirituosen, Sake und anderen Getränken, sagt Zlatic. In den vergangenen Jahren seien Tausende Weine zusammengekommen, die er verkostet hat. Selbst ein Mentaltraining absolviert er. Auch das haben die Sommeliers mit Spitzensportler gemein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2017)

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