Ein Friedensgipfel der Entzweiung

Friedensberatungen ohne die Konfliktparteien: Internationale Diplomaten, darunter Außenminister Kurz, gestern bei der Konferenz in Paris.
Friedensberatungen ohne die Konfliktparteien: Internationale Diplomaten, darunter Außenminister Kurz, gestern bei der Konferenz in Paris. (c) APA/AFP/POOL/BERTRAND GUAY
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Die Pariser Konferenz wollte direkte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern anregen. Doch Premier Netanjahu hofft bereits auf klare Unterstützung durch neue US-Regierung.

Jerusalem/Paris. Weit auseinander liegen Israel und die Palästinenser in ihrer Beurteilung der Nahost-Friedenskonferenz in Paris. Hohe Politiker aus über 70 Ländern waren am Sonntag auf Einladung der französischen Regierung zusammengekommen, um über Wege zur Wiederbelebung direkter Verhandlungen zu beraten. Der palästinensische Präsident, Mahmoud Abbas, begrüßte die Initiative, die „vielleicht die letzte Chance für die Zweistaatenlösung“ darstellt. Israels Regierungschef, Benjamin Netanjahu, hingegen sprach zu Beginn der gestrigen Kabinettssitzung in Jerusalem von einer „zwischen Frankreich und den Palästinensern abgesprochenen Farce“, deren Ziel es sei, „Israel Bedingungen aufzuzwingen“. In Jerusalem werde man sich nicht an Resolutionen der Konferenz gebunden fühlen.

Ungeachtet des israelischen Boykotts betrachtet es Frankreichs Außenminister, Jean-Marc Ayrault, als „kollektive Verantwortung“, für eine Wiederaufnahme direkter Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zu sorgen. Zwei Staaten für zwei Völker seien die einzige Lösung, so sein Credo.

Zum letzten Mal saßen israelische und palästinensische Verhandlungsdelegierte vor knapp drei Jahren gemeinsam an einem Tisch. Über Monate versuchte der scheidende US-Außenminister John Kerry damals zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln und musste am Ende ergebnislos aufgeben. Acht Jahre Präsidentschaft von Barack Obama brachten dem Nahen Osten keinen Frieden.

Auch aus Frustration über den starrköpfigen Regierungschef in Jerusalem legten die USA nicht wie sonst ein Veto ein, sondern enthielten sich der Stimme, als der UN-Sicherheitsrat unlängst eine Resolution verabschiedete, die Israels Siedlungspolitik scharf verurteilte und als „Haupthindernis für die Vision der zwei Staaten“ bezeichnete. Frankreichs Präsident, François Hollande, nannte im Verlauf der Konferenz Israels Siedlungen gar in einem Atemzug mit den Terroristen. Beide stellten eine Bedrohung für die Zweistaatenlösung dar.

Premier Netanjahu, der grundsätzlich keine Einwände gegen direkte Verhandlungen hat, jedoch das internationale Zutun ablehnt, gab sich gestern siegessicher. Von „letzten Zuckungen einer Welt von gestern“ sprach er mit Blick auf Paris. „Das Morgen sieht anders aus.“ Der Amtsantritt des designierten US-Präsidenten, Donald Trump, in wenigen Tagen sowie die Ernennung von David Friedman zum neuen Botschafter in Israel sind gute Gründe für seine Zuversicht. Friedman ist engagierter Befürworter von Israels Siedlungspolitik.

Trumps „Provokation“

Auch Trumps Ankündigung, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, signalisiert einen dramatischen Richtungswechsel im Weißen Haus. Der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, warnte am Rande des Pariser Gipfels vor „dem Risiko neuer Eskalationen“. Von einer „Provokation mit ernsthaften Konsequenzen“ sprach Ayrault. Abbas hatte zuvor gegen Israels Versuch protestiert, „die illegale Annexion der Stadt zu legitimieren“. Ein Umzug des diplomatischen US-Korps nach Jerusalem würde „die Chancen für einen politischen Prozess zunichtemachen und „den Extremismus anheizen“. Sollte Trump seinen Plan wahr machen, werde die PLO ihre Position zur Anerkennung Israels „überdenken“, meinte Abbas gegenüber „Le Figaro“. Die PLO hatte erstmals 1993 im Rahmen des Osloer Friedensprozesses das Existenzrecht Israels offiziell anerkannt.

Der Status von Jerusalem ist einer der wichtigsten Knackpunkte im Nahost-Konflikt. Während Israel Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt betrachtet, wollen die Palästinenser Ostjerusalem zur Hauptstadt ihres künftigen Staates machen. Die USA und die meisten UN-Staaten erkennen Jerusalem als Ganzes derzeit nicht als Israels Hauptstadt an. Ein Umzug der US-Botschaft wäre ein schwerwiegender Bruch mit den bisherigen diplomatischen Gepflogenheiten.

AUF EINEN BLICK

An der Konferenz für den Frieden im Nahen Osten nahmen gestern in Paris mehr als 70 Länder und internationale Organisationen teil. Außenminister Sebastian Kurz vertrat Österreich. Die Konfliktparteien selbst waren aber nicht zugegen, Israel wehrt sich seit Monaten gegen die französische Initiative, mit der Paris für direkte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern werben will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2017)

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