Innenminister Sobotka gibt keine Entwarnung. Indes kritisiert Bundeskanzler Kern Obergrenzendebatten als Akt symbolischer Politik.
Wien. Jetzt liegt die Jahresbilanz offiziell vor: Genau 42.073 Personen haben 2016 in Österreich um Asyl angesucht. Dies bedeutet zwar gegenüber dem Rekordjahr 2015 mit 90.000 Anträgen einen Rückgang um 52,4 Prozent (siehe auch Grafik). Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) gibt aber keine Entwarnung. Die Asylantragszahlen bewegten sich „weiterhin auf hohem Niveau“, wie er in einem Vortrag an den nächsten Ministerrat schreibt.
Immerhin habe es gegenüber 2014 eine Steigerung in Höhe von 49,9 Prozent und zu 2013 sogar ein Plus von 140,4 Prozent gegeben. Die wichtigsten Herkunftsstaaten waren im Vorjahr übrigens Afghanistan, Syrien, Irak, Pakistan und Iran. Die von der Regierung verordnete Kapazitätsobergrenze von 37.500 Asylverfahren wurde zu 96 Prozent ausgeschöpft. Denn lediglich 36.030 Personen wurden im Vorjahr zum inhaltlichen Verfahren zugelassen. In 14.819 Fällen ist eine Zulassung bisher nicht erfolgt. Diese werden ins Jahr 2017 mitgenommen. 12.987 Fälle befinden sich in einem laufenden Dublin-Verfahren. Für diese Verfahren könnten andere EU-Mitgliedstaaten zuständig sein, entsprechende Konsultationen werden geführt.
In den verbleibenden 1832 Fällen ist die Zulassung nicht erfolgt, da entweder das Alter der Asylwerber geklärt werden muss, wegen der kurzen Zeit seit Antragstellung keine Zulassungsentscheidung getroffen wurde oder die Zuständigkeit eines anderen EU-Staats festgestellt wurde. 10.677 Personen haben Österreich 2016 wieder verlassen. 5797 reisten freiwillig aus, 4880 Personen wurden abgeschoben. 2582 davon landeten in Dublin-Mitgliedstaaten, 2298 in anderen Ländern.
ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat ja erst vor wenigen Tagen für heuer die Herabsetzung der Obergrenze auf die Hälfte verlangt. Dafür und für die ÖVP-Forderung nach einem Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kein Verständnis. Dabei handle es sich um Akte einer symbolischen Politik, sagte er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Ein Debatte über eine willkürliche Zahl bringe nichts. Es brauche Lösungen, wie Zuwanderung begrenzt werde und wie man abgewiesene Asylwerber aus dem Land bringen könne. Und, so Kern frontal gegen Sebastian Kurz (ÖVP): Hier müsse sich der Außenminister engagieren.
Haftbefehl gegen SPÖ-Berater?
Apropos Kurz. Befragt zum Bericht in der „Presse am Sonntag“ von vergangener Woche, wonach SPÖ-Berater Tal Silberstein, für ein Negativ (oder Dirty) Campaigning Material gegen den Minister sammeln lasse, reagierte Kern unwirsch. Dieser mache lediglich Umfragen für die SPÖ. Alles andere sei „an den Haaren herbeigezogener Unfug“.
Auf den von VP-Generalsekretär Werner Amon am Sonntag erhobenen Vorwurf, gegen Silberstein liege in Rumänien ein Haftbefehl vor, ging Kern nicht ein. Gesichert ist, dass gegen Silberstein in Rumänien ein Prozess rund um Immobilien-Deals läuft. (red./APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2017)