Der deutsche Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl erklärt, warum Medien mitverantwortlich sind, dass Falschnachrichten im Internet boomen, ein Fake-News-Verbot keinen Sinn macht, und warum man für journalistische Arbeit Geld zahlen soll.
Derzeit wird unter anderem in Deutschland diskutiert, die Verbreitung von Fake News im Netz hart zu bestrafen. Ist das sinnvoll?
Es klingt jetzt vielleicht verlockend, mit der Keule von Zensur und Strafe zu kommen. Möglicherweise treibt man aber den Teufel mit dem Beelzebub aus. Außerdem: Wenn man weiß, wie das Netz funktioniert, würde ich an der Effizienz von Strafen wenig Hoffnung knüpfen. Es ist höchst fraglich, ob man den Täter findet – der wird wohl eher keinen Internetanschluss in Deutschland oder Österreich haben. Außerdem bietet das herkömmliche Recht ausreichende Mittel: Verleumdung etwa ist jetzt schon strafbar. Wünschenswert wäre eher, dass die großen Internet-Plattformen selbst nach intelligenten Lösungen suchten. In diese Richtung läuft es ja derzeit auch. Vorwerfen muss man ihnen, dass sie jahrelang wussten, was da abgeht und sie beide Augen zugedrückt haben.
Zur Person:
Der renommierte deutsche Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl ist Professor für Journalismus und Medienmanagement an der Schweizer Universität Lugano. Er leitet zudem das Europäische Journalismus-Observatorium (EJO), das Trends in der Medienbranche beobachtet und ländervergleichende Journalismusforschung betreibt. Ruß-Mohl absolvierte Forschungsaufenthalte an der University of Wisconsin in Madison/USA, am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz und an der Stanford University in Kalifornien.
Wird das genügen? Der Medienkonsument glaubt ja, was er liest, es geht also auch um mangelnde Kritikfähigkeit.
Wenn man etwas bewegen möchte, muss man an Bildung und Ausbildung arbeiten, an verstärkter Medienkompetenz. So sollten Konsumenten von Nachrichten im Internet von sich aus hinterfragen, was die Quelle der Information ist, die sie gerade lesen. Nur ist das leichter gesagt als getan: Als Forscher, in meiner hoch privilegierten Position, kämpfe ich in meinem engen Spezialgebiet täglich, um mich am Laufenden zu halten und zu verstehen, was im Mediensektor wirklich passiert. Da kann man sich vorstellen, wie kompliziert das erst für einen Lehrer am Gymnasium sein muss.
Sehen Sie auch eine Verantwortung bei den "herkömmlichen Medien"? Die haben ja derzeit ein massives Glaubwürdigkeitsproblem
Ja, auch die Medien haben versagt: Sie haben über alles berichtet, nur nicht hinreichend über die Entwicklung von Medien im elektronischen Zeitalter und die Veränderungen im Journalismus. Und auch nicht über den zunehmenden Glaubwürdigkeitsverlust, mit dem Journalisten seit Jahren, ja Jahrzehnten zu kämpfen haben.