Sind die acht Reichsten das Problem?

Bill Gates
Bill GatesAPA/AFP/JUSTIN TALLIS
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Acht Männer besitzen mehr als die halbe Welt, behauptet Oxfam. Aber immer mehr Ökonomen kritisieren den jährlichen Alarmruf: Die Daten seien falsch interpretiert, das Fazit falsch.

Wien. Alle Jahre wieder treffen sich die Reichen dieser Welt in Davos. Und alle Jahre wieder trifft sie dort die Standpauke von Oxfam: Die britische NGO rechnet dem Weltwirtschaftsforum vor, wie die „obszöne“ Kluft zwischen Arm und Reich „neue Extreme erreicht“. Im Vorjahr waren es demnach nur noch acht Menschen, die zusammen mehr Vermögen besaßen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. 2015 waren es immerhin noch 62. Das seien „schockierende Belege für eine Ungleichheitskrise, die außer Kontrolle gerät“. Die Lösung seien höhere Steuern für Reiche und der Kampf gegen die Steuerflucht von Konzernen. Aber weil der Alarmruf mittlerweile vorhersehbar ist, sind Kritiker nun besser gewappnet – vor allem liberale Ökonomen, die sich dagegen verwehren, dass die Aktivisten „den Kapitalismus dämonisieren“ (so der Leiter des Londoner Institute for Economic Affairs, Mark Littlewood).

Neue Zahlen, alter Trend

Wer hat nun recht? Zunächst: Die Zahlen selbst sind vage, aber sauber. Oxfam kombiniert die aktuelle „Forbes“-Liste der Milliardäre mit dem jährlichen Vermögensreport der Credit Suisse. 2016 hat die Großbank zusätzliche Daten vor allem zu Indien und China aufgenommen. Neu durchgerechnet konzentrierte sich die Hälfte des Weltvermögens auch 2015 nur auf neun Personen, 2010 aber noch auf 43. Auch nach dem üblicheren Gini-Koeffizienten steigt die Ungleichheit der Vermögen, aber weit langsamer. Einen „Trend zur Vermögenskonzentration“ gibt auch die Agenda Austria in ihrer Kontra-Oxfam-Studie zu. Vermögen häufen sich zudem stets viel stärker in wenigen Händen als Einkommen.

Doch gerade hier setzen die Kritiker an. Es gehe nicht um das Vermögen der Reichsten, sondern das tagtägliche „Wohl der Ärmsten“, heißt es vom britischen Adam Smith Institute. Für die Agenda Austria sind „Fragen nach Besitz und Vermögen“ in globaler Sicht ein „Luxusproblem“. Vor allem gehe es doch um den Kampf gegen Hunger und extreme Armut. Erst wer ihnen entkommt, hat überhaupt erst die Chance, ein bescheidenes Vermögen aufzubauen. Und hier ergibt sich ein viel helleres Bild: Der Anteil der extrem Armen ist seit den 1980er-Jahren von 44 auf unter zehn Prozent der Weltbevölkerung gesunken. Zugleich ging die globale Ungleichheit bei den Einkommen deutlich zurück.

Für Angus Deaton, Armutsexperte und Nobelpreisträger von 2015, ist das „einer der größten Erfolge der Menschheitsgeschichte“ – und ein „Resultat des Kapitalismus, der Globalisierung, der Ausbreitung von Märkten“. Selbst Oxfam gibt abseits der Schlagzeilen zu: „Wir begrüßen ganz klar diesen fantastischen Fortschritt“.

Welche Schlüsse sind also zu ziehen? Wo weiterhin bittere Armut herrscht, wie in vielen Staaten Afrikas, liegt das meist an Krieg, Misswirtschaft, schlechter Ausbildung und Diskriminierung. „Leider gibt es korrupte Staaten, wo Reichtum auf Kosten der Armen angehäuft wird“, sagt Littlewood. Aber das sei ein Argument gegen übermächtige Regierungen, nicht gegen freie Märkte. Auch nicht, ließe sich ergänzen, gegen Unternehmer wie Bill Gates oder Zara-Gründer Amancio Ortega, die dank ihrer innovativen Produkte auf ehrliche Weise sehr reich geworden sind. Moralisch bedenklicher erscheint, wenn ihre Unternehmen nun durch Verschiebung von Gewinnen kaum Steuern zahlen und so ihr Vermögen weiter vermehren – ein Punkt, bei dem nur wenige Kritiker Oxfam widersprechen.

Dass Ökonomen lieber die Einkommen betrachten als die Vermögen, hat noch andere Gründe: Die Analyse von Vermögensdaten ist voller Lücken und Tücken. So weist die Credit Suisse das Nettovermögen nach Abzug der Schulden aus. Was zu absurden Ergebnissen führt: Ein Absolvent einer US-Eliteuni, der seinen Bildungskredit noch nicht abbezahlt hat, ist „ärmer“ als ein mittelloser afrikanischer Bauer, der nie in Versuchung kommt, von einer Bank Geld zu leihen. Österreicher und Deutsche sind statistisch ärmer als Südeuropäer, weil sie öfter mieten und seltener Wohnungen besitzen. Generell bauen die Bewohner üppig ausgebauter Wohlfahrtsstaaten relativ wenig Vermögen auf, weil sie für die Risken von Alter, Krankheit oder Unfällen nicht vorsorgen müssen. In den „egalitären“ Hochsteuerländern Dänemark und Schweden sind Vermögen besonders ungleich verteilt. Das heißt: Der Ruf nach „mehr Staat“ könnte diese Schere sogar noch vergrößern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)

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