Ein absolutistischer Landesfürst verlässt die politische Bühne

Der siegreiche Erwin Pröll in seinem Büro im Kreise seiner Vertrauten bei der Landtagswahl 2013.
Der siegreiche Erwin Pröll in seinem Büro im Kreise seiner Vertrauten bei der Landtagswahl 2013.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Porträt I. Machtmensch, Kommunikator, Modernisierer: die vielfältigen Gesichter des Erwin Pröll.

Kurz vor seinem Abtreten ist der niederösterreichische Landeshauptmann, Erwin Pröll, mit einer Affäre konfrontiert, die wie keine andere sein Amtsverständnis demonstriert: Die Landesregierung hat jahrelang die Erwin-Pröll-Privatstiftung gefördert – ohne Information an die Öffentlichkeit, per Geheimakt in der Regierung. Und ohne offenzulegen, wofür die gemeinnützige Stiftung die Förderung eigentlich zu verwenden hat. Gibt es ein besseres Beispiel für feudales landesfürstliches Verhalten?

Erwin Pröll hat das sprichwörtliche Landesfürstentum der österreichischen Landeshauptleute zur Perfektion verfeinert. Kommunikativ und bodenständig, gleichzeitig machtbewusst regiert er seit fast 25 Jahren in St. Pölten. Und er hat sich dabei eine Machtbasis aufgebaut, die sogar noch stärker ist als jene seines Gegenübers auf SPÖ-Seite, des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl: Er hat Bundesparteichefs gemacht und wieder gestürzt, und er hat in seinem Bundesland ein System aufgebaut, das unangreifbar scheint und die Opposition verzweifeln ließ: Die einst stolze Landes-SPÖ siecht seit Jahren dahin, die FPÖ schaffte auf Landesebene nie einen Aufstieg wie im Bund. Und die Grünen spielen praktisch keine Rolle.

Machtbasis Bauernbund

Was macht den Erfolg des Erwin Pröll aus? Zunächst einmal sein kommunikatives Gespür: Er kann mit Leuten umgehen, er kann ihnen vermitteln, dass sie wichtig sind. Wenn er einen Landesbürger nach Jahren wieder trifft und sich an den Namen erinnert, macht das Eindruck. Dazu kommt sein machtpolitisches Gespür: Pröll regiert mit Zuckerbrot und Peitsche. Wer zu den Seinen gehört, kann vieles haben. Wer renitent ist, bekommt ein Problem. Die Machtbasis ist der niederösterreichische Bauernbund, eng verbunden mit Raiffeisen, aber auch die anderen ÖVP-Bünde hat er – auch dank der Wahlerfolge – längst auf seine Seite gebracht. Und das ist in der Volkspartei nicht selbstverständlich.

Erwin Pröll ist aber auch ein Modernisierer. Klug hat er erkannt, dass es nicht nur Betriebsansiedlungen braucht, um das Land nach vorn zu bringen, sondern auch eine geistige Öffnung. Er hat wissenschaftliche Institutionen wie die Donau-Universität Krems und das Forschungszentrum IST in Klosterneuburg angesiedelt. Und er hat das Land zu einem kulturellen Anziehungspunkt gemacht. Namhafte Künstler wie Arnulf Rainer bekamen ihr eigenes Museum, zahlreiche Festspiele werden mit Landesgeld gefördert.

Das ist zum Teil natürlich ein Versuch, die Kunstszene zu vereinnahmen, die ob der Fördermittel dem Landesfürsten tatsächlich zu Füßen liegt – aber nicht nur. Pröll hat auch dort gefördert, wo es für ihn unpopulär war – etwa den in konservativen Kreisen höchst umstrittenen Hermann Nitsch.

Verbleib in der Landesliga

Das System Pröll ist jedenfalls höchst erfolgreich: Niederösterreich ist das letzte Bundesland, in dem eine Partei noch eine absolute Mehrheit hat. Und das in Zeiten, in denen die ÖVP österreichweit über 20 Prozent nicht mehr hinauskommt. Pröll hat es aber vermieden, das bekannte Terrain zu verlassen und sein Glück in der Bundespolitik zu versuchen. Er hat lieber von Niederösterreich aus die Bundespartei dominiert als formal Bundesparteichef zu werden. Und auch, dass er im Vorjahr nicht als Präsidentschaftskandidat angetreten ist, könnte damit zusammenhängen, dass er sich nicht der Gefahr des Scheiterns aussetzen wollte. Pröll musste wissen: Das System Niederösterreich funktioniert eben nur in Niederösterreich. Nur dort kann er sich auf ein System von Abhängigkeiten stützen. Und nur dort kann er auch die Medienberichterstattung nach belieben dominieren.

Für Johanna Mikl-Leitner wird die Nachfolge von Erwin Pröll eine große Herausforderung, auch wenn der Landeshauptmann den Übergang geschickt geregelt hat. Ein Jahr lang wird die frühere Innenministerin Zeit haben, in ihre neue Rolle zu schlüpfen, ehe sie sich bei der Landtagswahl im Frühjahr 2018 zu bewähren hat. Sollte es nicht gleich nach Wunsch klappen, kann sie immerhin auf ihren Vorgänger verweisen: Auch Erwin Pröll hat bei seiner ersten Wahl 1993 die absolute Mehrheit verloren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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