Massiver Zulauf zu Staatsverweigerern

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Innerhalb weniger Monate ist die Zahl der Mitglieder von Verbindungen wie OPPT, Freeman & Co. von gut 700 auf 1100 gewachsen, weitere 20.000 sympathisieren damit. Das Innenministerium ortet „sehr ernste Bedrohung“.

Wien. Fast 150 Menschen kündigen jeden Monat dem Staat Österreich. Manche tun das offiziell, indem sie Behörden eine (natürlich unsinnige) Austrittserklärung schicken, andere schließen sich Bewegungen wie Freeman, Terraniern, OPPT (One People's Public Trust) oder Reichsbürgern ohne eine solche Erklärung an. Im Herbst 2016 kannten die Behörden gut 700 Mitglieder solcher staatsverweigernder Verbindungen, innerhalb eines Quartals ist die Zahl auf 1100 gewachsen. Dazu kommen rund 20.000 Sympathisanten. Erstmals aufgefallen sind derartige Organisationen in Österreich 2014.

„Ich habe bei Diskussionen darüber oft gefragt: ,Was verstehen Sie unter Terraniern?‘ Die einen dachten an ,Star Wars‘, andere an Hunde“, sagt Konrad Kogler, Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit. Anfangs wurden die Aussteiger belächelt. Dass das vorbei ist, zeigt die Liste hochrangiger Teilnehmer eines Symposiums am Dienstag am Minoritenplatz – Innenminister Wolfgang Sobotka, Chefs der Landespolizeidirektionen, des Heeres-Nachrichtenamts, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und etlicher anderer Ämter.

Kogler spricht von den Staatsverweigerern als einer „sehr ernsthaften Bedrohung“. Die Organisationen unterscheiden sich zwar, Ziele und Vorgehensweisen ähneln einander aber. „Es sind Leute, die so Schulden entkommen wollen, die sich vom Staat vernachlässigt fühlen oder die irgendwelche Nachrichten und Theorien glauben“, sagt Kogler. So funktioniere bisweilen auch die Rekrutierung: Vor Silvester hieß es in diesen Kreisen etwa, zum Jahreswechsel komme es zu großen staatlichen Enteignungen, denen man entkomme, wenn man einer staatsverweigernden Verbindung beitritt.

Die Gefahr dieser Gruppen zeige auch der Modus Operandi, in dessen Zusammenhang Kogler von „Papierterrorismus“ spricht. Behörden würden „mit Papier zugeschüttet“. Auch träten die Gruppen zunehmend gewaltbereit auf und arbeiteten mit extremistischen Bewegungen zusammen. Sobotka sagt, man beobachte eine Nähe zu rechtsextremen Bewegungen. Auch wenn die Ideologien unterschiedlich ausgeprägt sind, bisweilen geben sie sich anarchistisch, linksextrem oder esoterisch.

Ziel der Gruppen sei derzeit, Strukturen zu beeinflussen und möglichst viele Mitglieder zu gewinnen, um eigene Strukturen zu schaffen. Dazu versuchen sie auch, Behörden zu unterwandern – in einzelnen Fällen sei es auch schon gelungen: In Kärnten hat bekanntlich ein Polizist erklärt, er erkenne den Staat nicht mehr an.

Am Dienstag wollten OPPT-Anhänger auch ins Innenministerium: Sobotka berichtet, zwei Personen hätten versucht, zur Veranstaltung zu kommen. Man habe diese entfernt, wobei, so Sobotka, sie dort wohl ohnehin keine große Freude gehabt hätten. Schließlich planen die Behörden rigides Vorgehen: Es soll (wie berichtet) ein neuer Strafrechtsparagraf 246a geschaffen werden, der die Beteiligung an staatsverweigernden Verbindungen künftig strafbar macht. Um einer Bewegung anzugehören, sei keine gemeinsame Organisationsstruktur nötig, damit soll sichergestellt werden, dass der Staat auch auf einzelne Personen strafrechtlich reagieren kann.

Deradikalisierung für Freeman

Sobotka will auch das Konzept des Community Policing einsetzen: Bei Sicherheitsforen in Gemeinden, die im Rahmen des Gemeinsam.Sicher-Projekts abgehalten werden, könnten Polizei, Gemeinderat, Vertreter von Ämtern und Bürger Gegenmaßnahmen diskutieren, wenn man beobachtet, dass im Ort jemand solchen Ideen verfällt. Sobotka spricht auch von sozialarbeiterischen und therapeutischen Ansätzen. „Wir sehen Leute, deren Biografien sich nicht von anderen unterscheiden, bei denen es aber etwa durch einen Schicksalsschlag zum Bruch kommt.“

Therapeutische Begleitung oder präventive Arbeit, etwa, wenn jemand völlig verschuldet ist, soll helfen, Sympathisanten und Staatsverweigerer „wieder unter den Verfassungsbogen“ zu holen. Sobotka vergleicht das mit Erfahrungen aus der Deradikalisierung von Salafisten: Auch da sehe man, dass Leute, denen man die Möglichkeit zur Einbindung und Artikulation gibt, zurückkehren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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