Ein abgewählter Präsident stürzt Gambia an den Rand des Krieges

Gambias Präsident Yahja Jammeh klammert sich an die Macht.
Gambias Präsident Yahja Jammeh klammert sich an die Macht.(c) APA/AFP/MARCO LONGARI (MARCO LONGARI)
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Weil Langzeitpräsident Yahya Jammeh trotz verlorener Wahl sein Amt nicht abgeben will, drohen in Gambia Kämpfe. Die Touristen im Land werden eilig ausgeflogen.

Nach über zwei Jahrzehnten einer autokratischen Regierung hat sich in Gambia endlich ein Spalt in der Tür in Richtung Demokratie geöffnet. Im Dezember jubelten die Menschen in den Straßen des kleinen westafrikanischen Landes. Trotz staatlicher Einmischung hatte Langzeitpräsident Yahya Jammeh die Wahl knapp verloren. Doch jetzt hat er den Ausnahmezustand verhängt, es droht ein Gewaltausbruch.

Vor der geplanten Amtsübernahme des neuen Präsidenten an diesem Donnerstag haben deswegen Tausende Menschen ihr Hab und Gut gepackt und sind ins Nachbarland Senegal geflohen. "Die Angst der Gambier vor einem Ausbruch von Gewalt ist nicht ohne Grund: Jammeh ist unberechenbar", erklärt Expertin Liesl Louw-Vaudran vom südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien (ISS). "Aber er wird damit nicht durchkommen."

Vermittlung gescheitert

Eine Vermittlungsmission der westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) unter Führung von Nigerias Präsidenten Muhammadu Buhari hat Jammeh klargemacht, dass er sein Amt aufgeben müsse. Auch die Afrikanische Union hat ihn zum Rückzug genötigt und den Sieg des Oppositionskandidaten Adama Barrow anerkannt. Sollte sich der seit 22 Jahren regierende Jammeh weiter an die Macht klammern, hat ECOWAS den Einsatz einer militärischen Eingreiftruppe nicht ausgeschlossen.

Örtlichen Medienberichten zufolge hat Nigeria am Mittwoch bereits ein Schiff der Marine Richtung Gambia gesandt. "Es spielt keine Rolle, wie gut das gambische Militär trainiert ist. Sie sind so wenige, dass die Streitkräfte des Senegals sie sogar alleine besiegen könnten", erklärt Louw-Vaudran vom ISS. Gambia hat der Weltbank zufolge nur etwa 800 Soldaten, andere Quellen sprechen von etwa 1000.

In den Straßen von Banjul herrscht gespenstische Ruhe. Viele Geschäfte sind geschlossen, die Schulen haben nach den Ferien nicht wie geplant den Unterricht wieder aufgenommen. Einzig das Militär ist überall zu sehen. Viele haben Angst. "Für das Wohl des Landes hoffe ich, dass Jammeh zurücktreten wird", sagt ein 70-Jähriger in Banjul. Er kann sich noch an den blutigen Putsch erinnern, infolgedessen 1981 Hunderte getötet wurden. "Alle Gambier sollten hoffen, dass es jetzt nicht zu einer militärischen Intervention kommt."

Soldaten im Zwiespalt

Jammeh hatte die Drohungen der ECOWAS als "Kriegserklärung" gegen das Land mit rund zwei Millionen Einwohnern bezeichnet. Ein Soldat in Banjul, Lamin Badjie, sagt, "wir halten nicht zu Yahya Jammeh, aber wir werden uns gegen eine militärische Intervention des Senegals oder der ECOWAS zur Wehr setzen."

Jammeh verliert unterdessen zusehends an Rückhalt: Acht seiner Minister haben seit letzter Woche ihren Rücktritt erklärt, fast die Hälfte seines Kabinetts. Doch mit der Erklärung des Ausnahmezustands am Dienstag hat Jammeh nochmals klar gemacht, dass er sich dem internationalen Druck nicht beugen will. Ausländische Mächte hätten den Ablauf der Wahl in Gambia manipuliert, behauptete er. Jammeh will Barrows Sieg zudem noch vor Gericht anfechten, doch scheint auch dies eher eine Verzögerungstaktik zu sein.

Ausweg außer Reichweite

Eine Verhandlungslösung - etwa die Bildung einer Einheitsregierung mit Wahlsieger Barrow oder Jammehs Weggang in ein komfortables Exil - scheint derzeit unwahrscheinlich. Barrow ist aus Angst um seine Sicherheit in den Senegal geflohen. Doch hält er daran fest, sich am Donnerstag in Gambia als neuer Staatschef vereidigen zu lassen. Viele befürchten, dass Jammeh ihn womöglich festnehmen lassen wird, falls er ins Land zurückkehrt. Beobachter hoffen indes, dass die glaubhafte Androhung eines militärischen Eingreifens - begleitet von einer Truppenmobilisierung - Jammeh noch zum Einlenken bringen könnte.

Gambia gehört einem UN-Index zufolge zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Die frühere britische Kolonie ist fast völlig vom Senegal umgeben. Das wichtigste Exportprodukt des Landes sind Erdnüsse. Eine bedeutende Rolle spielt dank schöner Strände auch der Tourismus. Der britische Reiseveranstalter Thomas Cook begann indes am Mittwoch in Anbetracht der Sicherheitslage damit, rund 1.000 Urlauber außer Landes zu bringen. Zudem versuche man, rund 2.500 Urlauber, die nur mit Thomas Cook geflogen seien, einen frühestmöglichen Rückflug anzubieten.

(APA/dpa)

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