Kritik Mit einer zweiteiligen Ausstellung zu Licht und Materie blickt man auf 20 Jahre medial unorthodoxe Lehrtätigkeit von Brigitte Kowanz an der Angewandten zurück.
Heute scheint das ja völlig normal an den Kunstuniversitäten: dass man in einer Malereiklasse auch Videos machen kann, in einer Videokunstklasse Holzdrucke oder in einer Grafikklasse Performances. Als aber Brigitte Kowanz, die Lichtkünstlerin, die heuer neben Erwin Wurm Österreich auf der Biennale Venedig vertritt, vor 20 Jahren antrat, an der Angewandten eine klassische Bildhauerklasse zu „sprengen“, also für andere Medien, andere Methoden systematisch zu öffnen, war das noch unerhört. Sie erinnert sich noch an das Kopfschütteln der Kollegen, die bei den Diplombegehungen durch ihre neue Abteilung Transmediale Kunst schritten. Kowanz aber hatte einen guten Rückhalt, konnte auf ihre eigene Akademiezeit aufbauen, hatte sie doch selbst einen guten Lehrmeister in unorthodoxen Unterrichtsmethoden, Oswald Oberhuber. Er war wohl der erste, der alles zuließ. Kowanz war die erste, die dieses „Alles“ auch lehrplanmäßig anbot. Was einige der spannendsten Künstler der letzten Generationen anzog, Christian Eisenberger etwa, Constantin Luser, Katrina Daschner, Julie Monaco, Peter Fritzenwallner etc.
Anlass für dieses Innehalten und Zurückblicken auf eine mittlerweile legendäre Klasse ist eine resümierende Jubiläumsausstellung im Kunstraum NÖ. Kowanz hat sie gemeinsam mit einem ihrer ersten Schüler, der heute auch Lehrender ihrer Abteilung ist, zusammengestellt, Peter Kozek, der stark die Performance eingebracht hat. Um in dem doch etwas begrenzten Kunstraum so viele Studierende und Lehrende wie möglich unterzubringen, hat man sich für eine von Besucherseite aus wenig attraktive, von Künstlerseite aber wohl verlockende Zweiteilung entschieden: Man beginnt heute mit „lightness and matter“, um in einem Monat mit „matter and lightness“ fortzusetzen. Erst einmal also liegt der Fokus auf sanfteren Arbeiten mit Licht und Leichtigkeit, dann folgt der wildere, erdigere Teil mit der Materie. Denn die Bildhauerei, der Hang zum Objekt, war trotz aller Öffnung hier nie zu leugnen. Interessanterweise auch ein Hang zur Linie, zur Zeichnung, was aber auch schon die einzige Verbindung zu den verspiegelten Leuchtschriftboxen von Kowanz selbst darstellt. Man kann nicht sagen, dass hier alle der Lichtmeisterin nacheiferten, wie es immer noch in vielen Meisterklassen vorkommt.
Spinnweben und Schreitüte
Die jüngsten (echten!) Spinnwebenbilder von Eisenberger, die zart-technoiden, schwebenden Drahtskulpturen von Luser, die „Gesänge“ von Peter Kozek – rhythmische, mit dem Lineal gezogene Tuschlinien-Wogen auf Papier –, sie alle verzichten auf sehr elegante Weise auf das ästhetische Vorbild von Kowanz' charakteristischer Kunst, nicht aber auf die Präsenz einer gewissen Feinheit, einer Subtilität. Schön ist das zu verfolgen. Bis hin zur beeindruckenden Installation einer der jüngsten Teilnehmerinnen, Marie Reichel, die noch studiert: An Drähten und Seilen hängen, ja tänzeln drei assoziativ-abstrakte Selbstporträts von der Decke. Fragile, marionettenhafte Gebilde aus heimeligen Textilien, schimmerndem Kupferrohr und organisch-glitschigen Gelatinewürmern und -gebissen. Klingt sehr abwegig, ist aber von großer Materialpoetik und -sensibilität getragen.
Natürlich gibt es auch tatsächlich Abwegiges, Verkopftes, „Doofes“, „Scheiße“, „Ironie“ – so tönt es jedenfalls aus einem kleinen, unscheinbaren Papiertrichter am Boden, das Sprachrohr von Ida Bö, die dafür in den Keller nicht lachen, sondern schreien gegangen ist. Immer nur heraus damit.
Erster Teil 20. 1. bis 11. 2., zweiter Teil 17. 2. bis 18. 3., Herrengasse 13, Wien 1.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2017)