Scheitert das Erwachsenenschutzgesetz an der Finanzierung?

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Symbolbild: Altersheim(c) Clemens Fabry
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Richtervereinigung und Grünen befürchten, dass das Gesetz - es soll die alte Sachwalterschaft ablösen - aus Mangel an Geld nicht umgesetzt werden kann.

Rund am das vor wenigen Tagen vom Ministerrat beschlossene Erwachsenenschutzgesetz - es löst die alte Sachwalterschaft ab - ist eine Finanzierungsdebatte entbrannt. Sowohl die Richtervereinigung als auch die Grünen befürchten, dass das Gesetzeswerk aus Mangel an Finanzmitteln nicht umgesetzt werden kann. Eine Stellungnahme von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) stand zunächst aus.

"Die Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter ist bestürzt über die Ankündigung des Herrn Justizministers, das 2. Erwachsenenschutzgesetz in Kraft setzen zu wollen, obwohl der Herr Finanzminister (Hans Jörg Schelling/ÖVP; Anm.) die Bereitstellung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel verweigert. Wie vom Herrn Justizminister in der Vergangenheit mehrfach betont, ist eine Finanzierung aus dem Justizbudget nicht möglich. Die den betroffenen Menschen in Aussicht gestellten Verbesserungen sind so nicht umsetzbar. Ein dahin gehendes Versprechen wäre unseriös", stellten die Richter fest.

Laut einem Sprecher der Vereinigung dürfte es um jährlich rund 15 Millionen Euro Kosten gehen. Sie fallen zum Teil einfach dadurch an, weil die Überwachung der für die Betroffenen ergriffenen Maßnahmen komplexer wird. Ein maßgeschneidertes Modell für die Vertretung beeinträchtigter Menschen soll in Zukunft dazu führen, dass nicht mehr sofort eine Sachwalterschaft verhängt wird. Es gibt verschiedene Formen der Vertretung, die eben an die jeweilige Situation des Einzelnen angepasst werden. Außerdem seien alle diese Verfahren auf jeweils drei Jahre Dauer begrenzt und müssten dann evaluiert werden.

Zahl der Sachwalterschaften von 30.000 auf 60.000 angestiegen

Brandstetter hatte von Anfangskosten von rund zehn Millionen Euro gesprochen. Ein Inkrafttreten mit 1. Juli 2018 lasse sich bewerkstelligen, hatte der Minister betont. Das bezweifeln die Richter. Finanzminister Schelling hätte mitgeteilt, die Justiz solle die notwendigen Aufwendungen aus ihrem bestehenden Budget bestreiten, was wohl nicht möglich sei. Die Zahl der Sachwalterschaften ist in den vergangenen Jahren von 30.000 auf 60.000 angestiegen.

"Das Erwachsenenschutzgesetz zu beschließen, aber die ausreichende Finanzierung zu verweigern ist vorsätzlicher Regierungspfusch. So nehmen rot und schwarz einer guten Gesetzesidee die Chance auf eine funktionierende Umsetzung", kritisierte am Donnerstag Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen, die sich demnach abzeichnende Situation in einer Aussendung. Im Erstentwurf für das Gesetz seien noch zusätzliche 17 Millionen Euro jährlich vorgesehen gewesen. Nun sollten es nur noch 9,5 Millionen Euro sein. Zusätzlich hätte der Finanzminister durchgesetzt, dass dieser Betrag bis 2022 auf null Euro schrumpfen sollte.

"Der Justizminister hat den errechneten Mehrbedarf für das Erwachsenenschutzgesetz nicht einfach frei erfunden. Das ist der von den zuständigen Expertinnen und Experten errechnete Mehrbedarf. Wenn der Finanzminister jetzt meint, die Justiz soll es für die Hälfte machen und ab 2022 überhaupt ganz gratis, ist das eine vorsätzliche Schädigung einer guten Idee", kritisierte Steinhauser. Die zusätzlichen finanziellen Mittel seien notwendig, um die durch das Gesetz entstehenden Mehrbelastungen bei Gericht und Erwachsenenschutzvereinen abzudecken.

(APA)

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