Gambias erzwungener Machtwechsel

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Westafrika. Nach der Vereidigung des gewählten Präsidenten Barrow sind westafrikanische Truppen in Gambia einmarschiert. Ihr Ziel: Den Abgang von Ex-Staatschef Jammeh durchzusetzen.

Wien/Banjul. Der Tag, an dem sich das Schicksal des Landes entscheiden sollte, begann ruhig. Kaum eine Menschenseele war in der gambischen Hauptstadt, Banjul, zu sehen, die Straßen wirkten wie ausgestorben. Geschäfte, Tankstellen und Banken blieben geschlossen. Die meisten Menschen hatten sich dafür entschieden, zu Hause zu bleiben und abzuwarten. Einzig die Hotels karrten in Kleinbussen weitere Touristen in Richtung Flughafen, um sie aus Furcht vor einem Gewaltausbruch in Sonderflügen außer Landes zu bringen.
Der lang erwartete Machtwechsel verlief dann nicht nach dem ursprünglichen Drehbuch, aber er fand statt: Aus Sicherheitsgründen wurde der bisherige Immobilienunternehmer Adama Barrow, der als Oppositionskandidat die Präsidentenwahl im Dezember sensationell gewonnen hatte, nicht in Gambia selbst, sondern in der Botschaft des Landes im Senegal vereidigt. Vor dem Gebäude in der senegalesischen Hauptstadt Dakar drängten sich Dutzende Journalisten und Schaulustige. Bildschirme waren auf der Straße aufgestellt, auf denen die Zeremonie übertragen wurde. Gegen 17 Uhr Ortszeit sprach Barrow in Anwesenheit vieler Diplomaten den Amtseid.

Grünes Licht von der UNO

„Von diesem Tag an bin ich der Präsident Gambias – unabhängig davon, ob Ihr für mich gestimmt habt oder nicht“, sagte er und pries seine Vereidigung als „Sieg der gambischen Nation“. Die Sicherheitskräfte forderte er auf, sich loyal zur Verfassung zu verhalten. Mit anderen Worten: ihn als Präsidenten zu akzeptieren – und nicht zum langjährigem Machthaber Yahya Jammeh zu stehen. Dessen Mandat war am Mittwoch um Mitternacht offiziell abgelaufen, aber er weigerte sich noch am Donnerstag, das Amt aufzugeben. Aus Angst um seine Sicherheit hatte sich Barrow daher seit Sonntag in Dakar aufgehalten.
Kaum war der neue Präsident vereidigt, ging dann alles ganz schnell. Weniger als zwei Stunden nach der Zeremonie segnete der UN-Sicherheitsrat in New York einstimmig eine Resolution ab, die der westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas grünes Licht dafür gab, einen Machtwechsel in Gambia mit „allen erforderlichen Maßnahmen“ – wenn auch möglichst auf politischem Wege – durchzusetzen. Minuten später erklärte die senegalesische Armee, Soldaten seien auf gambisches Territorium vorgedrungen. „Wir sind in Gambia einmarschiert“, sagte ein Sprecher. Auch Nigeria erklärte, im Rahmen einer westafrikanischen Koalition Einheiten nach Gambia zu schicken, um „das gambische Volk zu schützen und Frieden und Sicherheit in der Region zu wahren“.
Damit schienen die Ecowas-Staaten ernst zu machen mit ihrer Drohung, die Absetzung Jammehs notfalls auch militärisch zu erreichen. Alle Vermittlungsversuche – auch ein letzter durch Mauretaniens Präsidenten, Mohammed Ould Abdel Aziz, am Mittwochabend – waren ins Leere gelaufen.

Militär wendet sich ab

Jammeh verschanzte sich am Donnerstagabend offenbar im State House, dem Amtssitz des Präsidenten. Das legten Äußerungen seines Informationsministers nahe, der in der BBC erklärte: „Präsident Jammeh geht nirgendwohin“.
Dem scheidenden Herrscher waren noch in der Nacht auf Donnerstag sehr wichtige Verbündete abhanden gekommen. Seine langjährige Stellvertreterin, Vizepräsidentin Isatou Njie Saidy, sagte sich von ihm los und trat zurück. Entgegen früherer Treuebezeugungen wandte sich auch Armeechef Ousman Badjie gegen ihn. „Wir werden uns militärisch nicht einschalten, das ist ein politischer Streit“, zitierten ihn örtliche Medien. „Ich werde meine Soldaten nicht in einen dummen Kampf verwickeln – ich liebe meine Männer.“ Badjie hatte sich offenbar auch mit Polizeichef Ousman Sonko darauf verständigt, nur noch Barrow verpflichtet zu sein.
Als erster Staat in Afrika und schon Stunden vor der Vereidigung Barrows erklärte Botswana, Jammeh künftig nicht mehr als Präsidenten Gambias anzuerkennen. Der Schritt spiegelte die Position von Ecowas und der Afrikanischen Union (AU) wider, die schon vor Tagen angekündigt hatten, ab 19. Jänner nur noch Barrow als Präsidenten anzuerkennen. AU-Kommissionsvorsitzende Nkosazana Dlamini-Zuma war eine der ersten, die Barrow via Twitter gratulierte. Die Vereidigung Barrows sei „historisch für die Gambier wie auch für den Rest von Afrika“. (raa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2017)

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