Australian Open: Mit wilden Netzangriffen und starken Nerven den großen Coup gelandet

Ganz in seinem Element: Mischa Zverev beherrscht das Spiel am Netz.
Ganz in seinem Element: Mischa Zverev beherrscht das Spiel am Netz. (c) APA/AFP/GREG WOOD
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Der Deutsche Mischa Zverev stürmte gegen den topgesetzten Andy Murray 118 (!) Mal ans Netz – und gewann in vier Sätzen. Nun wartet Roger Federer.

Melbourne. Die Australian Open haben ihre nächste große Sensation: Nach dem Aus von Titelverteidiger Novak Ðjoković in Runde zwei ist am Sonntag völlig überraschend auch der Weltranglistenerste Andy Murray gescheitert. Der Schotte unterlag dem groß aufspielenden Deutschen Mischa Zverev im Achtelfinale nach 3,33 Stunden mit 5:7, 7:5, 2:6, 4:6. Damit haben erstmals seit den French Open 2004 die beiden topgesetzten Protagonisten im Herren-Einzel nicht die zweite Woche erreicht.

Der 29-jährige Zverev ist der ältere Bruder von Alexander Zverev, der als einer der kommenden Superstars des Welttennis gilt. Doch nicht der zehn Jahre jüngere Aufsteiger, der am Vortag erst nach fünf Sätzen an Rafael Nadal gescheitert war, sondern Mischa liefert in Melbourne die größeren Schlagzeilen. Der aus Moskau gebürtige Zverev misst sich nun in seinem ersten Major-Viertelfinale am Dienstag mit Roger Federer. Der Schweizer setzte seinen Erfolgslauf beim Comeback nach sechsmonatiger Verletzungspause fort und bezwang Kei Nishikori mit 6:7, 6:4, 6:1, 4:6, 6:3.

„Das Match meines Lebens“

Zverev war nach dem größten Sieg seiner Karriere überglücklich. „Das bedeutet mir die Welt – und dass die Familie da ist, die Box voll ist, mich so viele Leute unterstützen“, erklärte der Weltranglisten-50. „Ich war in einem kleinen Koma, ich habe die ganze Zeit Serve und Volley gespielt. Ich weiß nicht, wie ich einige Punkte gewonnen habe.“ Nicht weniger als 118 Mal stürmte er ans Netz, machte dort 55 Prozent der Punkte. „Das war definitiv das beste Match meines Lebens. Nicht nur, weil es best-of-five war, sondern bei einem Grand Slam.“

Als vielleicht die noch „größere Sensation als das Aus von Titelverteidiger Novak Ðjoković“ bezeichnete TV-Experte Boris Becker diesen Coup. „Der Schlüssel zum Erfolg war, dass er in den entscheidenden Momenten cool geblieben ist“, urteilte der dreimalige Wimbledon- und zweimalige Australian-Open-Sieger.

Für Andy Murray, der sich nach fünf Final-Niederlagen in Melbourne gerade nach dem Ðjoković-Aus besondere Hoffnungen auf den ersten Titel gemacht hatte, heißt es weiter warten. „Er hat den Sieg verdient, weil er großartig gespielt war, wenn er hinten lag, auch in den wichtigen Momenten“, zollte der Schotte seinem Bezwinger Respekt.

Aber wer gewinnt nun die Australian Open? Stan Wawrinka, der als Nummer vier gesetzte Schweizer, eliminierte Andreas Seppi mit drei gewonnenen Tiebreaks. Der US-Open-Sieger ist auf Kurs in Richtung zweitem Australian-Open-Titel nach 2014. Im Viertelfinale steht auch Jo-Wilfried Tsonga. Der als Nummer zwölf gesetzte Franzose besiegte den Briten Daniel Evans mit 6:7, 6:2, 6:4, 6:4. Schweizer Tennisfans träumen von einem Halbfinale zwischen Federer und Wawrinka.

Der Altmeister hat nach dem Sieg über Nishikori seine Ambitionen auf seinen 18. Grand-Slam-Sieg unterstrichen. „Ich denke, das war ein großartiges Match. Es war eine Freude, Teil davon zu sein“, sagte der 35-Jährige, der zuletzt 2012 in Wimbledon ein Major gewinnen konnte.

Kerber ohne Form und Plan

Am Sonntag verabschiedete sich mit Andy Murray nicht nur die Nummer eins der Herren aus Melbourne, mit Angelique Kerber trat die bestplatzierte Dame frühzeitig die Heimreise an. Kerber, sie triumphierte im Vorjahr sowohl bei den Australian Open als auch bei den US Open und erklomm als erste Deutsche nach Steffi Graf die Weltranglistenspitze, unterlag der US-Amerikanerin Coco Vandeweghe mit 2:6, 3:6. Für die 25-Jährige aus New York war der Sieg über die Titelverteidigerin gleichbedeutend mit einer Sternstunde. „Das ist das erste Mal, dass ich eine Nummer eins geschlagen habe. Es bei einem Grand Slam geschafft zu haben, macht diesen Erfolg noch süßer.“ Kerber war freilich enttäuscht, sie haderte mit ihrer Form. „Ich habe vom ersten Punkt an nicht gut gespielt. Das war nicht mein Tag, nicht mein Match.“ (cg/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2017)

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