Umfrage: Für viele Flüchtlinge Gebot vor Gesetz

Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) besuchte mit einer internationalen Delegation am Montag einen Wertekurs für Flüchtlinge.
Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) besuchte mit einer internationalen Delegation am Montag einen Wertekurs für Flüchtlinge. (c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Minister Sebastian Kurz pocht auf ein strenges Integrationspaket – und stützt sich auf eine neue Studie: Abstrakte Werte würden zwar anerkannt, aber oft nicht gelebt werden.

Wien. Ist Demokratie die ideale Staatsform? Für 90 Prozent der anerkannten Flüchtlinge ist das so. Also jene Flüchtlinge, die für eine Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Auftrag des Integrationsressorts befragt wurden. Und nicht nur das: 80 Prozent bejahen auch den Wert der Gleichberechtigung von Mann und Frau. 83 Prozent bewerten das Zusammenleben mit anderen Religionen als durchaus positiv.

Aber darauf folgt nun ein Aber: Denn gleichzeitig sind 40 Prozent der Meinung, dass religiöse Gebote über staatliche Vorschriften zu stellen seien. 45 Prozent bewerten Religionsgemeinschaften als nicht gleichwertig. Und: 80 Prozent sprechen sich für die Befolgung von religiösen Bekleidungsvorschriften in der Öffentlichkeit aus, 37 Prozent sind wiederum für getrennten Schwimmunterricht.

Diese Umfrage wurde vergangenen Sommer und Herbst unter rund 900 anerkannten Flüchtlingen durchgeführt. Das Sample bestand zu 43 Prozent aus Syrern, 37 Prozent Afghanen und 20 Prozent Irakern, etwas mehr als die Hälfte waren 18 bis 30 Jahre alt, 80 Prozent waren Männer.

Für Sebastian Kurz (ÖVP), der als Integrationsminister die Studie in Auftrag gegeben hat, ist sie ein weiterer Anlass, den Ausbau von Wertekursen für Flüchtlinge zu forcieren, die seit Anfang 2016 stattfinden: „Man sieht anhand dieser Studie, dass es zwar eine Zustimmung zu abstrakten Grundwerten gibt“, sagt er zur „Presse“. „Das heißt aber noch nicht, dass die Menschen diese Vorgaben verinnerlicht haben – beziehungsweise bereit sind, danach zu leben.“

„Muss sich an Gesetze halten“

Dass die Befragung ausgerechnet gestern, Montag, veröffentlicht wurde, ist kein Zufall: Kurz organisierte zum zweiten Mal die internationale Integrationskonferenz „Vienna Future Talks“ – und besuchte mit einer internationalen Delegation einen Wertekurs. Während des achtstündigen Unterrichts wird über Themen wie Zusammenleben oder Rechtsstaatlichkeit gesprochen.

Für Kurz gebe es bei der Integration noch einige Herausforderungen: „Wer bei uns lebt, hat sich an unsere Gesetze und Grundwerte zu halten. Das müssen wir klar einfordern.“ Nachsatz: „Ich halte nichts von falsch verstandener Toleranz.“ Aus seiner Sicht sei es „eine dringende Aufgabe des Staates zu definieren: Was hat in unserer Gesellschaft Platz?“ Burka und Niqab seien jedenfalls „Symbole für die Unterdrückung von Frauen“ – und müssten verboten werden.

Kurz nutzt am Montag daher nochmals die Gelegenheit, um erneut Druck beim Koalitionspartner SPÖ zu machen: Die Regierung solle sich endlich auf ein Integrationspaket einigen. Neben dem Vollverschleierungsverbot fordert der Minister auch verpflichtende gemeinnützige Beschäftigung für Flüchtlinge und ein Koranverteilungsverbot für Salafisten. Bereits im Oktober hätte ein Papier den Ministerrat passieren sollen. Nun wird Ende Jänner als Frist angepeilt – wobei SPÖ und ÖVP von einer Einigung noch weit entfernt sind.

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner nahm den vereitelten Terroranschlag am Wochenende auch zum Anlass, um diese Forderungen zu wiederholen. Der Vizekanzler forderte gleich ein umfangreiches Sicherheitspaket – und zwar mit bekannten Forderungen zu Asyl, Integration und Sicherheit. Mitterlehner will unter anderem die Höchstzahl für Asylverfahren von 35.000 auf 17.000 senken.

Doskozil ist irritiert

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zeigte sich am Montag allerdings nach sämtlichen Forderungen aus der ÖVP ein wenig irritiert. Er erwarte sich, dass man Vorschläge intern diskutiert und „nicht über die Medien ausrichtet“, sagte er zur Austria Presse Agentur. Vorschläge seien zu diskutieren, aber es gehe auch darum zu erörtern, welche „kriminalpolizeilichen Effekte“ diese haben.

Er sei zwar klar für eine Reduzierung der Asylanträge zu haben – denn die Zahl sei „zu hoch“. Aber: Es brauche „effektive Maßnahmen“, die die Zahl wirklich reduzieren. (ib)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2017)

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