Doch keine Haftstrafe für Paparazzi

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Justizministerin Bandion-Ortner will den Persönlichkeitsschutz gegenüber Medien verstärken. Das Ziel wird in der Begutachtung ihres Entwurfs unterstützt, die Umsetzung teilweise kritisiert. Änderungen zeichnen sich ab.

WIEN. Die angedrohte Gefängnisstrafe für Paparazzi, die Menschen auflauern, um sie in möglichst verfänglichen Situationen zu fotografieren, kommt doch nicht. Das verlautet aus dem Justizministerium, wo derzeit die Stellungnahmen zum Entwurf einer Reform des Medienrechts ausgearbeitet werden. Um den zuletzt etwa im Fall des Entführungsopfers Natascha Kampusch und des Inzestfalles von Amstetten zu beobachtenden „Sittenverfall“ in der Kriminalberichterstattung zu bekämpfen, will Justizministerin Claudia Bandion-Ortner das Medienrecht verschärfen und den Persönlichkeitsschutz verbessern. In der Begutachtung hat sie dafür viel Unterstützung erhalten, aber auch Kritik an einzelnen der geplanten Maßnahmen hinnehmen müssen.

Mit einem neuen Paragrafen im Strafgesetzbuch (120a) soll die „Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen durch Bildaufnahmen“ sanktioniert werden: mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe. Während die Haftstrafe keinesfalls kommt, ist ein zweiter Punkt noch offen: Die Legisten im Justizressort prüfen, ob sie beim Plan bleiben, mit dieser Bestimmung nicht nur das Paparazzi-Unwesen zu bekämpfen, sondern auch „Happy Slapping“, genauer: das Aufnehmen von Prügelaktionen. Es wäre zu überlegen, meinte etwa der Verfassungsdienst, für die unterschiedlichen Tathandlungen und betroffenen rechtlichen Interessen zwei getrennte Tatbestände zu schaffen. Im Interesse der Rechtsklarheit empfiehlt der Verfassungsdienst außerdem, Rechtfertigungsgründe für eine Bildberichterstattung in den Straftatbestand zu integrieren und explizit etwa ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an Information zu nennen (womit offenkundig nicht das Happy Slapping gemeint ist).

Medienrecht-Anwalt Michael Rami, der eine sehr anspruchsvolle Stellungnahme verfasst hat, lehnt §120a überhaupt ab: „Die Schaffung eines eigenen Straftatbestands ist meines Erachtens überzogen, da die zivil- und allenfalls medienrechtlichen Sanktionen ausreichen.“ Im Fall Kampusch hat jüngst der OGH der Bildberichterstattung Grenzen gesetzt (s. unten).

Identitätsschutz wird zur Regel

Ein weiterer Bereich, in dem das Ministerium breiter Kritik Rechnung tragen will: der Schutz vor einer Preisgabe der Identität von Tätern, Verdächtigen, Opfern (alle samt Angehörigen) und Zeugen von Straftaten. Wiewohl der Rechtsanwaltskammertag den erweiterten Schutz ausdrücklich begrüßt und für ausgewogen hält, melden erfahrene Medienanwälte starke Bedenken dagegen an: Der Identitätsschutz sei „überzogen“, schreibt Peter Zöchbauer, „wenn zum Teil nicht mehr zu prüfen ist, ob schutzwürdige Interessen beeinträchtigt werden“. Der Identitätsschutz verkehre sich von der Ausnahme zur Regel. Anwalt Rami rechnet mit einer enormen Mehrbelastung der Gerichte als Folge der Einbeziehung der Angehörigen: Selbst wenn über einen Verdächtigen identifizierend berichtet werden dürfte, würden alle seine Angehörigen (gleichen Nachnamens) automatisch Entschädigungsansprüche erwerben. „Wir wollen die Gerichtsberichterstattung nicht unterbinden“, heißt es nun im Justizressort, „wir sehen schon auch ihre präventive Wirkung.“

Heikel ist schließlich die Ausdehnung der Entschädigungsbeträge. Statt der bisher nach Intensität des Eingriffs gestaffelten Obergrenzen von 20.000, 50.000 und 100.000 Euro soll künftig nur das höchste Limit gelten – und „aufgrund besonders schwerwiegender Auswirkungen der Rechtsverletzung und eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen die gebotene journalistische Sorgfalt“ ausnahmsweise überschritten werden können. „Das Ausmaß der Überschreitungsmöglichkeit ist jedoch unklar“, kritisiert der Verfassungsdienst, „was im Lichte des Art. 18 B-VG (Legalitätsprinzip, Anm.) problematisch erscheint.“ Der Verband Österreichischer Zeitungen plädiert dafür, eine Kumulierung von Entschädigungen sowohl für mehrfache Veröffentlichungen in einem Medium (z. B. Print/Online) als auch für ähnliche Veröffentlichungen in mehreren Medien zu verhindern; andernfalls könnte es passieren, dass ein jugendlicher Vergewaltiger eine vielfach höhere Entschädigung wegen identifizierender Berichterstattung einsammelt, als das Schmerzengeld für sein Opfer ausmachen würde.

Das Justizressort prüft nun das Kumulationsproblem ebenso wie die geplante Verlängerung der Frist für Entschädigungsansprüche (von sechs auf neun Monate). Das hält nicht zuletzt die Richtervereinigung für „nicht erforderlich“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2009)

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