Wiener SPÖ: "Häupls Nachfolge offen diskutiert"

Die Diskussion um die Nachfolge von Michael Häupl zieht immer weitere Kreise – trotz seiner Regierungsumbildung.
Die Diskussion um die Nachfolge von Michael Häupl zieht immer weitere Kreise – trotz seiner Regierungsumbildung. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Entgegen offizieller Aussagen wurde am Montag offen Häupls Nachfolge diskutiert. Dem Bürgermeister soll dabei klar geworden sein, wie kritisch die Situation ist.

Wien. „Die Dinge sind oft anders, als sie scheinen.“ Dieses Zitat aus dem Buddhismus beschreibt treffend die Ereignisse vom Montag. Bürgermeister Michal Häupl trat nach der Sitzung des Parteiausschusses vor die Medien und erklärte: Sein Personalpaket mit Jürgen Czernohorszky (Bildung/Integration), Sandra Frauenberger (Gesundheit) und Heinrich Himmer (Stadtschulrat) sei einstimmig angenommen worden. Ohne Gegenstimme, ohne Enthaltung. Das Signal: Der Bürgermeister sitzt fest im Sattel, die Kritiker sind isoliert, die parteiinterne Diskussion ist beendet, eine Arbeitsgruppe wird bis zum Parteitag im April die Gräben zuschütten.

„Ernst der Lage klar geworden“

Dazu gibt es eine sehr konträre Innensicht: „Dem Bürgermeister ist der Ernst der Lage in vollem Umfang klar geworden – falls es das nicht schon vorher war“, erklären Sitzungsteilnehmer aus verschiedenen Fraktionen der „Presse“: „Es ist offen über die Nachfolge von Michael Häupl diskutiert worden“, meint ein weiterer Teilnehmer schockiert: „Und es ist klar geworden, dass die Diskussion nicht von den üblichen frustrierten Einzelpersonen getragen wird, sondern eine große Breite erreicht hat.“

Dass Ex-Parteimanager Christian Deutsch nochmals Häupls Nachfolge thematisierte, war keine Überraschung. Als Wendepunkt wird jener Moment beschrieben, als Kultursprecher Ernst Woller das Wort ergriff – mit einer (laut Sitzungsteilnehmer) launigen, aber sachlichen und eindringlichen Rede. Er selbst werde 2020 nicht mehr kandidieren und könne offen reden, begann Woller, der keiner Fraktion angehört. Häupl wäre bei der nächsten Wien-Wahl 71 Jahre alt und werde in diesem Alter nicht mehr kandidieren: „Daher können wir diesen Streit gleich beenden. Denn was macht das für ein Bild für eine zukunftsorientierte Partei, mit einem 71-Jährigen in die Wahl zu gehen.“ Man möge einen jungen Kandidaten oder eine junge Kandidatin vorbereiten. In SPÖ-Kreisen ist zu hören: „Es haben einige applaudiert, weil es jemand ausgesprochen hat.“

Antritt oder Nachfolge regeln

Auf Anfrage der „Presse“ bestätigt Woller die Aussagen: „Ich habe die große Sorge, wenn ich 2020 aufhöre, dass ich unter einem FPÖ-Bürgermeister in Pension gehen muss. Und das will ich nicht.“ Damit stelle sich die Frage, wie man diese Diskussion beende: „Sie wird erst enden, wenn die Nachfolgefrage von Häupl geregelt ist“, so Woller: „Außer, Michael Häupl sagt deutlich: Ich trete 2020 an und bleibe dann noch zwei Jahre – weil er nicht sofort nach der Wahl zurücktreten kann. Das würde den Streit auch sofort beenden.“ Nachsatz: „Aber ich glaube nicht, dass er sich das antut.“ Deshalb müsse die Nachfolge in Hinblick auf 2020 geregelt werden. Ohne Entscheidung werde die Diskussion weitergehen, so Woller: „Weil das in ganz Österreich diskutiert wird, nicht nur in der Wiener SPÖ.“ Häupl habe sich diese Diskussion nicht verdient: Aber für jeden komme der Zeitpunkt zu gehen, so Woller.

Und für diesen Moment müsse man rechtzeitig die Nachfolge überlegen: „Also, wer die Chance hat, die Wahl 2020 zu gewinnen.“ Und heuer, spätestens 2018, sei der Zeithorizont dafür – nachdem ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin ja aufgebaut werden müsse: „Diese Entscheidung soll in freundschaftlichen Gesprächen erfolgen. Und nicht in der Wahlzelle am Landesparteitag im April, wo alle beschädigt werden“, befürchtet Woller massive Revancheaktionen der unterschiedlichen Fraktionen in Form von Streichungen für alle bei der Wahl der SPÖ-Parteispitze – falls es bis dahin keine klare Entscheidung gibt. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Umweltstadträtin Ulli Sima hatten sich in der Sitzung gegen öffentliche Vorstöße von Deutsch gestellt, nachdem die SPÖ nicht mehr mit Sachthemen durchgekommen sei, ist zu hören.

Mailath-Pokorny hatte nach Wollers Rede laut Sitzungsteilnehmern aber gemeint: Die Nachfolge sei ein Thema, das man ansprechen müsse – aber nicht öffentlich. Die Replik der Kritiker: „Wenn im Wohnzimmer jahrelang niemand zuhört, gehe ich irgendwann auf den Balkon.“

Aus Gründen der Parteidisziplin wurde Häupls Personalpaket einstimmig angenommen, um eine völlige Eskalation zu vermeiden, berichten Sitzungsteilnehmer: „Aber die Diskussion ist nicht zu Ende, weil die Motive für die Diskussion nicht beseitigt sind“, ist in Innen- wie auch den verfeindeten Außenbezirken zu hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)

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