Die deutschen Pläne zur Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer sorgen für Kritik. Auf Initiative Österreichs sprachen Vertreter der deutschen Anrainer über das Vorhaben.
Brüssel. Die Pläne zur Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland werden immer konkreter. Am gestrigen Mittwoch einigte sich die Regierung in Berlin auf einen Gesetzesentwurf, der nun dem Bundestag vorgelegt werden soll. Stimmen die deutschen Abgeordneten den Plänen zu, soll die Fahrt auf Deutschlands Autobahnen künftig (das heißt frühestens nach der Bundestagswahl im September 2017) gebührenpflichtig sein – allerdings nur für Autolenker aus dem Ausland, denn die deutschen Fahrer werden von der Maut de facto ausgenommen sein. Der nun beschlossene Gesetzesentwurf sieht zwar die Einführung einer verpflichtenden Straßenvignette vor, Besitzer von in Deutschland registrierten Fahrzeugen sollen die Vignettengebühr über den Umweg einer Senkung der Kfz-Steuer refundiert bekommen.
Seit Verkehrsminister Alexander Dobrindt von der bayrischen Christlich-Sozialen Union, der Schwesterpartei der CDU, 2014 erstmals das Konzept einer Pkw-Maut für Ausländer vorgestellt hat, laufen Deutschlands Anrainer gegen das Vorhaben Sturm – allen voran Österreich. Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) weilte gestern in Brüssel, um eine Allianz gegen Deutschland zu schmieden: Am Mittwochnachmittag sprachen Beamte aus den Anrainerstaaten Deutschlands über die Pläne der Regierung in Berlin, auch im Europaparlament suchen die österreichischen Abgeordneten nach Verbündeten. Laut Leichtfried geht es darum, die Möglichkeit einer gemeinsamen Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu prüfen.
Im Kreuzfeuer der österreichischen Kritik steht auch die EU-Kommission. Ursprünglich hatte die Brüsseler Behörde angekündigt, im Fall der Einführung einer Ausländermaut ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anzustreben. Ende 2016 legte Berlin einen leicht modifizierten Gesetzesentwurf vor – und die für Verkehrsfragen zuständige Kommissarin Violeta Bulc knickte ein. Dobrindt justierte bei der Rückvergütung der Vignettengebühr nach, wodurch die Besitzer besonders umweltschonender Fahrzeuge über Gebühr entlastet werden sollen. Aus der Sicht der Brüsseler Behörde ist der Tatbestand einer direkten Koppelung von Maut und Kfz-Steuer damit nicht mehr gegeben. Die deutsche Regierung lässt sich diesen Trick rund 100 Mio. Euro pro Jahr kosten, rechnet aber insgesamt mit jährlichen Mauteinnahmen in der Größenordnung von einer halben Milliarde Euro – einer Summe, die von Experten für überhöht eingeschätzt wird.
„Inakzeptabler Kompromiss“
Für Leichtfried ist diese Entscheidung nicht nachvollziehbar. Der Verkehrsminister hat am 30. Dezember seinen Standpunkt der EU-Kommission mitgeteilt und wartet derzeit auf eine Antwort aus Brüssel. „Die von Ihnen und Bundesverkehrsminister Dobrindt vorgestellte Lösung erscheint aus österreichischer Sicht ein inakzeptabler Kompromiss und weiterhin in mehreren Aspekten EU-rechtswidrig“, heißt es in dem an Verkehrskommissarin Bulc adressierten Schreiben. Kritisiert werden darin unter anderem die Staffelung der Kurzzeitvignetten, die „überproportional zulasten von Dieselfahrzeugen“ gehen soll, sowie die Tatsache, dass die Kontrolle der Einhaltung der Mautpflicht „ausschließlich ausländische KraftfahrerInnen treffen“ dürfte.
Rückendeckung erhält Leichtfried aus Belgien, das keine Straßenmaut einhebt, aber über die Einführung einer Straßengebühr diskutiert. Sollte die „CSU-Maut“ in der jetzigen Form kommen, könnte die Praxis Nachahmer finden, warnte am Mittwoch der christdemokratische belgische Europaabgeordnete Pascal Arimont. Auch in Österreich wird über Gegenmaßnahmen nachgedacht – etwa die Einführung einer Studiengebühr, die nur ausländische, sprich deutsche Studenten trifft.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2017)