"Don Camillo & Peppone" erfreut durch perfekte Einstudierung und weckt Nostalgie. Doch bietet das Wiener Musical zu wenig Abwechslung, szenisch wie musikalisch.
Die gute Nachricht zuerst: Schauerliche Technik- oder Mischpultkapriolen wie bei „Evita“ gibt es bei „Don Camillo & Peppone“, seit Freitagabend im Wiener Ronacher zu erleben, nicht. Die Aufführung, eine Kooperation mit dem Theater St. Gallen, ergänzt den recht witzigen „Schikaneder“ im Raimundtheater, der mit 70 Prozent Auslastung jedoch deutlich unter den Erwartungen blieb. In Interviews beklagte Musicalintendant Christian Struppeck unfaire Beurteilung und fürchtet Subventionskürzungen.
Faktum ist, dass die städtischen Musicals immer kürzer laufen und immer schneller neue entwickelt werden müssen. Zahlt sich das aus? Wenn man Renner produziert, ja, wenn nicht, eher nein. Richtige Renner hatten die Vereinigten Bühnen Wien im Musicalbereich schon lange nicht mehr. Unverdrossen nimmt man aber neue Anläufe: Am Dienstag (31. 1.) wird „I am from Austria“ mit Hits von Rainhard Fendrich vorgestellt: Ein Hollywoodstar erinnert sich beim Wiener Opernball an seine Heimat. Das Werk funktioniert ähnlich wie „Ich war noch niemals in New York“, das auf einer Kreuzfahrt spielt und mit den Liedern von Udo Jürgens ausgestattet ist: Ein sehr erfolgreiches Produkt – aus Deutschland. Ebenfalls von dort kommt im Frühjahr das neue Falco-Musical nach Österreich. Aus Kempten.
„Don Camillo und Peppone“ versucht die schon etwas ferngerückte Historie der Geschichte zu erhellen, was recht gut gelingt, aber die Vergangenheit rückt dadurch auch nicht wirklich näher an uns heran. Die Aufführung beginnt mit Autobahnlärm. Im kleinen italienischen Dorf erinnert sich eine alte Dame an ihre Jugendzeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Faschisten vertrieben waren und sich neue Fronten bildeten, zwischen Katholizismus und Kommunismus. Peppone hat die Wahl gewonnen und liefert sich nun so heftige wie heitere Duelle mit dem Pfarrer – um die Kirchenrenovierung, ein Denkmal, die Kriegskasse der Faschisten und wie man Großgrundbesitzer mit Habenichtsen versöhnt. Don Camillo ruft Jesus an, der aber ermahnt ihn zur Mäßigung.
Viel Emotion: Maya Hakvoort als Gina
„Ich bin ihnen begegnet und habe sie einfach durch das Alphabet auf und ab gehen lassen“, schreibt der Schriftsteller Giovannino Guareschi (1908–1968), der selbst in einem Dorf in der Emilia Romagna geboren wurde. In „Don Camillo und Peppone“ sind Elemente aus Goldonis „Krach in Chiozza“, Fellinis „Amarcord“, aber auch aus den Farcen Dario Fos enthalten. Es ist das Italien des Bassena-Tratsches (so nennt man das in Wien), der Lebenslust, der Anarchie und einer Religiosität, die tief im Herzen ruht und unzerstörbar ist – wenn auch nicht frei von Aberglauben –, das hier gezeigt wird.
Ältere kennen die bezaubernde TV-Serie „Don Camillo und Peppone“ aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit Fernandel und Gino Servi, ein Fixpunkt im damals kargen Programm für Kinder und Jugendliche, eine Prise Italien zwischen US-Serien wie „Fury“ oder „Lassie“. Beim „Don Camillo“-Musical hätte man mit feuriger oder ironischer Italianità punkten können, mit Canzone, Arie, vielleicht auch mit Parodien.
Komponist Dario Farina schrieb Hits für den Tenor Andrea Bocelli oder das Schmuse-Pop-Duo Al Bano & Romina Power („Felicità“). Nichts gegen eine schöne Schnulze, schon gar nicht im Musical. Doch Farina ist kein Ennio Morricone oder Nino Rota. Die Texte hat erneut der Serienfabrikant für dieses Genre verfasst, Michael Kunze: „Hört das Gequengel der drängenden Engel bald auf?“ Da hilft nur noch Beten! Gibt's keine jüngeren Schreiber, die sich nicht am alten Schlager oder an Möchte-Gern-Poesie orientieren, sondern zum Beispiel an Pop-Lyrics?
Regisseur Andreas Gergen (schon wieder) und Dirigent Koen Schoots sorgen für den perfekten Ablauf der museal-altmodischen, aber auch manchmal, vor allem im zweiten Teil, charmanten Episoden aus dem Dorf. Vor allem die ehemalige „Elisabeth“, Maya Hakvoort, als alte Frau, Gina, und der von der Volksoper („Kiss me Kate“) bekannte Andreas Lichtenberger als Don Camillo sind wunderbar. Jacqueline Bergrós Reinhold und Kurosch Abbasi erfreuen als junge Liebende mit viel Romantik – und Streit.
Dennoch: Wenn immer dieselben Leute Musicals gestalten, kann nichts Neues herauskommen. Ums Geld müssen sich die Wiener Musicalbühnen ja zum Glück keine Sorgen machen, die Stadt bzw. der Steuerzahler sind großzügig und und sichern Arbeitsplätze im Kulturbereich. Doch ob das nicht auf Dauer etwas wenig ist?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2017)