Debatte über Regierungsprogramm: "Sie reiten ein totes Pferd"

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Die Regierung hat ihr neues Programm im Nationalrat vorgestellt. Kanzler Kern streckt "die Hand in Richtung der Opposition aus", diese zweifelt an der Umsetzung des Pakts.

Die Koalition hat am Dienstag im Nationalrat ihr neues Arbeitsprogramm beworben. SP-Bundeskanzler Christian Kern betonte, man strecke "die Hand in Richtung der Opposition aus, um für die Zukunft Österreichs zu arbeiten." Die Regierung sei auch für bessere Vorschläge offen. Es bringe nichts, "sich gegenseitig die Meinung reinzusagen, ohne dass Fortschritt passiert". Das nun vorgelegte Programm sei jedenfalls ein "sehr gutes". Als größten Punkt hob Kern den Beschäftigungsbonus hervor.

Auch VP-Chef Reinhold Mitterlehner lobte den Pakt. "Wir leben in ausgesprochen unsicheren Zeiten, in der Bevölkerung hat sich Zukunftsangst weit verbreitet", erklärte er. Es sei Aufgabe der Politik, Sicherheit anzubieten. Mit dem Programm solle "die Zukunft für die Bevölkerung ausgeleuchtet" werden.  Man gehe nicht punktuell, sondern systematisch vor. "Ich bin mir sicher dass das funktionieren könnte und sollte", so der Vizekanzler.

Strache: "Die Nagelprobe wird kommen"

"Schöne und salbungsvolle Worte", kommentierte FP-Chef Heinz-Christian Strache die Regierungserklärung. Was das Papier wert sei, werde sich erst in der legistischen Arbeit zeigen: "Die Nagelprobe wird kommen." Die bisherige Bilanz der Regierung lasse Schlimmes für die Zukunft befürchten. Beim Thema Integration gebe es Schritte in die richtige Richtung. Ein Kopftuchverbot bei Exekutive, Richtern und Staatsanwälten sei "lieb", dort gebe es das Problem aber nicht - notwendig sei es generell im öffentlichen Dienst. Enttäuscht zeigte sich Strache auch darüber, dass das Thema direkte Demokratie im Regierungsprogramm nicht vorkomme.

Lücken im Programm sah auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig. So fehle eine Einigung auf eine Mietrechtsreform, dabei sei Wohnen für junge Familien mittlerweile Luxus geworden. Den Mindestlohn solle man "gleich" regeln und nicht an die Sozialpartner auslagern. Die Grünen hätten ihre Hand immer ausgestreckt, SPÖ und ÖVP hätten im Nationalrat bisher aber stets "jede Idee der Opposition kindisch niedergestimmt". Man sei aber weiter dazu bereit, daran mitzuarbeiten den Menschen in Österreich das Leben zu erleichtern. 

"Sie spüren selbst, dass da keine Energie im Raum ist", meinte Neos-Obmann Matthias Strolz in Richtung von Kanzler und Vizekanzkler: "Sie reiten hier ein totes Pferd." Der Sattel sei aber "gar nicht so zwider", im Regierungsprogramm gebe es durchaus Brauchbares. Die entscheidenden Reformen würden aber fehlen. Im Gesundheitsbereich etwa halte man an den teuren Mehrfachstrukturen fest, in Luxuspensionen greife man nicht ein. Die Koalition versuche den sechsten Neustart seit 2013, deshalb tue man sich schwer daran zu glauben. Die Landesfürsten und die Gewerkschafter müssten den Pakt mit unterschreiben, denn diese würden alles blockieren. Strolz präsentierte eine Website, auf der gezählt werden soll, seit wann Rot-Schwarz "unfallfrei" ist (zum Zeitpunkt von Strolz' Rede 0 Tage, 5 Stunden und 11 Minuten).

Auch Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar zweifelt an der Realisierung der Vorhaben. Bislang sei der Regierungspakt nur eine Absichtserklärung. "Wenn es umsetzbar ist, ist es ein gutes Programm", meinte Lugar. Er sei "fast schon gerührt", dass die Regierung sich endlich etwas vornehme. Sie solle aber nicht mit einem unverbindlichen Entschließungsantrag ins Parlament kommen, sondern mit konkreten Vorschlägen zur Umsetzung des Programms, dann werde man zustimmen.

Der Entschließungsantrag der Koalition mit dem Ziel, dass die Regierung ihr erneuertes Arbeitsprogramm auch umsetzt, ist mit breiter Mehrheit angenommen. Sowohl die Mandatare von der SPÖ als auch jene der ÖVP stimmten zu. Die Abstimmung erfolgte auf Antrag der FPÖ namentlich. Es mussten die Abgeordneten also zur Urne schreiten, um ihr Zustimmung zu geben.

Ebenfalls angenommen wurde ein von den Grünen initiierter Entschließungsantrag, der die Regierung aufforderte, sich für eine Zurücknahme des generellen Einreiseverbotes gegenüber den Staatsangehörigen von sieben mehrheitlich muslimisch bewohnten Staaten in die Vereinigten Staaten durch den US-Präsidenten einzusetzen. Diesem stimmten auch Koalition und Neos zu.

(kron)

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