Mahlers Neunte, edel: Lebensfeier statt Leichenschau

Mariss Jansons (Archivbild).
Mariss Jansons (Archivbild).(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks kehrten bei Musik von Mahler und Rachmaninow das Vitale an Leid, Rückschau und Abschied hervor. Davor brachten sie eine Rarität: Vladimír Sommers fantasievolle „Antigone“-Ouvertüre.

„Die Musik ist vielleicht das letzte Wort der Kunst, wie der Tod das letzte Wort des Lebens“, heißt es bei Heinrich Heine. Abschied, Schmerz, Sterben: Die Programme, mit denen das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung seines Chefdirigenten, Mariss Jansons, gerade an zwei Abenden im Musikverein gastiert hat, hätten sich kaum deutlicher am „wahren Endzweck unseres Lebens“ orientieren können, wie eine berühmte Formulierung Mozarts lautet. Gustav Mahlers „Kindertotenlieder“, komponiert auf fünf Texte aus Friedrich Rückerts poetischer Trauerarbeit über den Tod zwei seiner Kinder, die mehr als 400, erst posthum erschienene Gedichte umfasst; Sergej Rachmaninows letztes Werk, die „Symphonischen Tänze“, in denen er mit religiösen Anklängen auf sein musikalisches Leben zurückblickt; am zweiten Abend Mahlers monumentale 9. Symphonie, die in ein schier endloses Verlöschen ausläuft. Und doch waren in diesen beiden Konzerten einige vitale Überraschungen zu erleben.

Zum Beispiel die einleitende Rarität, eine 1957 entstandene „Antigone“-Ouvertüre des 1997 verstorbenen Tschechen Vladimír Sommer. Die antike Tragödie erzählt er als eine Art von symphonischer Dichtung mit althergebrachten Mitteln, die er aber fantasievoll einsetzt und handwerklich souverän beherrscht. Gut möglich, dass sich zu Zeiten des verordneten „sozialistischen Realismus“ auch politische Kritik hinter den scharfen Konturen des gestopften Blechs, einer sich zusammenrottenden Marschgroteske à la Schostakowitsch und besonders hinter einer Klarinettenfigur verbarg, die unablässig hervorzüngelt und nörgelt.

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