Barcelona: "Der Tourismus tötet unsere Stadt"

Mit Sprüchen wie „Keine Touristenwohnungen“, die hier auf Balkonen prangen, wehrt man sich in Barcelona gegen den Zustrom.
Mit Sprüchen wie „Keine Touristenwohnungen“, die hier auf Balkonen prangen, wehrt man sich in Barcelona gegen den Zustrom.(c) APA/AFP/PAU BARRENA
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Spaniens wichtigste Besuchermetropole will den grenzenlosen Zustrom bändigen, der immer mehr Bürger erzürnt. Nun wurde ein Stopp für Hotelbauten und Apartments verhängt.

Barcelona/Madrid. Geht man durch die Straßen etwa Londons, Amsterdams, Venedigs oder Münchens, ist es unübersehbar: Europäische Großstädte werden von Touristenmassen regelrecht geflutet, durchaus auch im Winter, selbst wenn er so frisch ist wie heuer. Doch was des einen Freud ist, ist des anderen Leid, und während die Wirtschaftstreibenden und Stadtverwaltungen sich in der Regel die Hände reiben, geht der permanente Rummel immer mehr „gewöhnlichen“ Einwohnern auf den Geist.

Besonders mürrisch ist man derzeit in Barcelona, der Hauptstadt der autonomen Gemeinschaft Katalonien in Spanien, die gleichzeitig zweitgrößte Stadt des Königreichs ist. Selbst die linksalternative Bürgermeisterin, Ada Colau (42), eine frühere Hausbesetzerin, warnte ob des Andrangs: „Wir können es uns nicht erlauben, nichts zu tun.“

Andrang soll gebremst werden

Nun beschloss der Stadtrat, in dem Sozialisten und linke Parteien die Mehrheit haben, auf die Bremse zu treten: Die Politiker, die sonst gern für freie Grenzen und Zuzug eintreten, verhängten einen Baustopp für neue Hotels im Zentrum, um den Zustrom zu drosseln. Nur am Stadtrand soll es neue Herbergen geben dürfen.

Dazu wird der Wildwuchs der Zigtausenden privaten Touristenapartments gestoppt: Neue Lizenzen zur Vermietung an Touristen gibt es nicht mehr. Wer ohne Erlaubnis seine vier Wände an Reisende vermietet, muss mit hohen Strafen rechnen. Die Unterkunfts-Vermittlungsplattformen im Web werden an die Kette gelegt: Sie dürfen nur noch private Unterkünfte mit bestehender Lizenz anbieten.

„Barcelona steht nicht zum Verkauf“, skandierten dieser Tage viele Anrainer der weltbekannten „Rambla“, Barcelonas Prachtallee, gegen die Auswüchse des Massentourismus. „Wir haben unsere berühmteste Straße verloren, die von den Touristen eingenommen wurde“, tönte die Anwohnervereinigung. Die Leute klagen, sie könnten kaum vor die Türe gehen, ohne herumgeschubst zu werden.

Hotelbesetzungen aus Protest

Der Touristenboom in der Mittelmeerstadt (1,6 Millionen Einwohner, rund 4,9 Mio. samt umliegendem Ballungsgebiet) lasse die Wohnungspreise gen Himmel rasen, klagt Ana Menéndez, Vorsitzende der Bürgerinitiative. Die Immobilienspekulation treibe die Alteingesessenen aus der Altstadt. Kleine Einzelhändler, die Lebensmittel, Brot, Getränke und Hausrat verkaufen, würden durch Touristenshops verdrängt.

Also gehen die Bürger „für das Recht, in unserer Stadt zu leben“, auf die Barrikaden. Die Stimmung kippt: Vor einigen Wochen stoppten wütende Bürger mehrere der roten Panoramabusse, mit denen sich Touristen herumkutschieren lassen. Wenig später besetzten Anwohner zwei Hotels, die in der City gerade eröffnet worden waren. „Ihr macht unsere Stadt kaputt. Touristen, geht nach Hause“, lautet eine Parole, die immer öfter auf Wände und Gehsteige gesprüht wird.

Rang drei bei Gästen in Europa

Der Stopp für neue Gästebetten sei erst der Anfang, so Vizebürgermeisterin Janet Sanz: „Das ist ein Beschluss, mit dem wir beginnen, den Tourismus zu steuern.“ Man arbeite schon an weiteren Maßnahmen, um den „unkontrollierten“ Besucherstrom zu steuern und ein „Chaos“ zu verhindern. Wie in ganz Spanien wächst nämlich auch in Barcelona, der meistbesuchten Stadt des Landes, der Tourismus enorm: Man will 2016 mehr als acht Millionen übernachtende Gäste gezählt haben, das ist Platz drei in Europa nach London (circa 20 Mio.) und Paris (18 Mio.). Die Dunkelziffer inklusive Tagesgästen wird teils mit mehr als 30 Millionen angegeben. Die originelle Basilika Sagrada Família (Heilige Familie) des eigenwilligen Architekten Antoni Gaudí gilt als stärkster Besuchermagnet Spaniens.

Das Gedränge in Barcelona wird selbst vielen Touristen zu viel: „Man konnte sich nichts in Ruhe anschauen“, klagte eine Deutsche im Gespräch mit der „Presse“. „Vieles haben wir einfach sein lassen, weil wir keine Lust hatten, stundenlang Schlange zu stehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2017)

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