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"Jetzt müssen wir Sex auch noch haben“

Back view of senior man sitting in his rocker watching television model released Symbolfoto property
Back view of senior man sitting in his rocker watching television model released Symbolfoto property(c) imago/Westend61 (imago stock&people)
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»“Schönheit kennt kein Alter”
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(Dove)

Ein alter Mann schleppt eine Einkaufstasche durch den Schnee. Er sperrt die Tür auf und hört seinen Anrufbeantworter ab. Seine Tochter hat angerufen. Sie sagt ihm, dass ihn ihre Familie dieses Jahr zu Weihnachten nicht besuchen kommen wird. Stattdessen bekommt er eine Karte auf der „Merry Christmas“ steht. Traurig schneidet er sein Gemüse, während sein Nachbar Besuch von der Tochter und den Enkelkindern bekommt. Um doch noch ein schönes Weihnachten feiern zu können, täuscht er seinen Tod vor und lockt seine gesamte Familie zu sich nach Hause, wo er sie mit einem Festtagsessen überrascht.

Dieser Werbespot der Supermarktkette Edeka sorgte im Dezember 2015 für feuchte Augen. Ein Jahr später hatte das Video auf YouTube bereits über 53 Millionen Aufrufe. „Die habe ich schon öfter gesehen und ich habe mich immer gefragt, wofür sie wirbt. Den Zusammenhang zu Edeka verstehe ich immer noch nicht“, sagt Anna Wanka. Sie beschäftigt sich am Institut für Soziologie der Universität Wien mit dem Thema Alter(n). Diese Werbung zeigt, wie schwer sich die Werbeindustrie mit dem Alter tut. Der Spot hat für viel Aufsehen gesorgt, Probleme der Isolation älterer Menschen sieht man selten. Und trotzdem ist das Bild des alten Mannes im Edeka-Spot negativ. 

„Ich bin eigentlich über die Arbeitsforschung zum Alter gekommen“, erzählt Wanka. Ihre Forschungen haben die 29-jähhrige Wissenschaftlerin über die Arbeitslosigkeit zu einem anderen Thema geführt: ohne Arbeit sein. Und so ist sie zu dem Forschungsgebiet Alter(n) gekommen.  „Diese dritte Lebensphase, die jetzt das Altern darstellt, ist ja eigentlich eine, die sehr stark davon charakterisiert ist, dass der Beruf wegfällt.“ Damit rückt die Freizeit und ihre Gestaltung in den Mittelpunkt der Tagesplanung.

Im Jahr 2010 lag die Kaufkraft der Generation 50 Plus über allen anderen Altersgruppen. „Die Unternehmen merken langsam, dass ältere Menschen ein großer Markt sind. Diese ‚silver economy‘ wird in Milliardenhöhe prognostiziert, es gibt aber anscheinend eine Schwierigkeit diese Menschen anzusprechen“, meint Wanka. Das glaubt auch Gerlinde Zehetner, Geschäftsführerin des Pensionistenverbandes Österreich. Hinzu komme, dass ältere Menschen unterrepräsentiert seien: „Senioren sieht man nur als Teil einer Familie, wie die lustige Oma vom XXXLutz.“ Hin und wieder schaffen es Alte dann doch Fokus einer Werbekampagne zu sein. So wie bei Dove, dem Kosmetikkonzern, der ältere Damen nackt zeigt und tituliert: „Schönheit kennt kein Alter.“ Doch selbst bei Kosmetika, die die Zielgruppe ältere Frauen haben, ist das eine Seltenheit. „Man muss ja früh genug damit anfangen“, so Zehetner.

Durch immer frühere Pensionsantritte, bei einer gleichzeitig steigenden Lebenserwartung, sind ältere Menschen immer länger in Pension. „Mittlerweile sind das 20, 30 Jahre, die wir in der Pension haben. Davon zehn oder 15 bei bester Gesundheit. Das heißt, das ist eine ganz neue Lebensphase, die sich da eröffnet hat.“ Ältere Menschen sind aus genau diesen Gründen zu einem großen Faktor in der Gesellschaft geworden. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Politisch war die ältere Generation für den Brexit und Trump verantwortlich. In Österreich damals bei der Volksbefragung zur Wehrpflicht. Doch auch wirtschaftlich sind ältere Menschen eine Macht.

Ältere schauen mehr fern

Tatsächlich gibt es relativ wenig ältere Menschen in der Werbung und jene, die vorkommen sind oft nur stereotyp. Die neueste MasterCard Werbung fällt in diese Kategorie. Darin begleitet man eine 80-jährige Dame, die sich langsam durch den Alltag bewegt, dabei den jüngeren Menschen im Weg ist, die genervt die Augen verdrehen. 

Dabei sind es vor allem Menschen über 50, die vor dem Fernseher sitzen. Laut Teletest sahen die Österreicher und Österreicherinnen im Jahr 2013 durchschnittlich 133 Minuten pro Tag lang fern. Dieser Wert steigt rapide, je älter die Zuseher werden. 

Wanka fasst das Altersbild in der Werbung so zusammen: „Diese Stereotype, die wir haben, sind einfach noch so stark. Es gibt hier das defizitäre Altersbild. Also die Oma, die den Kuchen backt, die auf die Enkelkinder aufpasst, mit dem Stock geht. Im besten Fall, wenn man witzig sein will, stellt sie jemandem mit dem Stock das Bein.“

Der Begriff „omaleicht“ wurde auch schon früher einmal verwendet. Die Austrian Airlines warb im Jahr 2006 schon mit dem Spruch „Omileicht Flüge buchen“ für die Onlinebuchung. Ganz zum Unmut von Andreas Hollinek, dem Betreiber der Website www.50plus.at. In einem Artikel aus dem Jahr 2013 über Diskriminierung älterer Menschen in der Werbung nennt er die Austrian-Kampagne als Negativbeispiel: „Begründung: omileicht ist stark assoziiert mit babyleicht und diskriminiert Großmütter als absolut unbeholfene Internet-Userinnen.“

Der freundlichere Stereotyp

Ein alter Mensch ist in der Werbung „entweder der hochbetagte Sieche oder der super-agile, wohlhabende Senior, der sich alles leisten kann und will“, sagt Zehetner. Ähnlich Wanka: „Es gibt die sogenannten ‚active ages‘, das positivere Altersbild, das ich auch sehr kritisch sehe.“ Das Altersbild sei einfach unrealistisch, was zur Folge hat, dass sich ältere Menschen erst recht wieder ausgeschlossen fühlen.

Andreas Hollinek beschreibt diese „active ages“ anders. Für ihn sind sie „überdrehte ältere Menschen, die ein schrilles Verhalten an den Tag legen, das ihrem Platz in der Gesellschaft so nicht entspricht.“ Dabei wirkt dieser Stereotyp der sportlichen und vitalen Menschen im hohen Alter auf den ersten Blick sehr positiv. Ältere Menschen werden aus der Opferrolle des defizitären Alterbildes herausgeholt, die ihnen so oft zugeschrieben wird, sie sind agil und jung geblieben. Dass dieses Bild in vielen Fällen aber nicht stimmt, bleibt unerwähnt und erzeugt ein Gefühl der Unzulänglichkeit. „Wenn man die Zeitung aufschlägt und den 99-jährigen Triathleten oder die 90-jährige Balletttänzerin sieht, ist das etwas, womit man sich nicht identifizieren kann. Da wird eher Druck ausgeübt“, so Wanka.

Die Werbung der Versicherungsanstalt Uniqua sticht in diesem Bereich heraus. Sie hat ältere Menschen in Situationen gezeigt, die man eher von Jüngeren erwartet. Die Rezeption der Spots war unterschiedlich. Aufmerksamkeit wurde zwar erzeugt, aber die Porträtierten fanden ihn nicht so toll. „Jetzt müssen wir Sex auch noch haben.“ So fasst Wanka die Rückmeldung älterer Menschen zu Uniquas Spot in einem Satz zusammen:

Die Wohnpartner Wien haben die Seniorenrose 2015 gewonnen.
Die Wohnpartner Wien haben die Seniorenrose 2015 gewonnen.

Wenn man die Frage stellt, wie Werbung für ältere Menschen ausschauen sollte, gehen die Meinungen teils weit auseinander. Die "Presse" zitiert in einem Artikel einen Werber mit den Worten „Zeige ihnen nicht, dass sie alt sind“. Wanka ist in ihrer Forschung zu einem anderen Ergebnis gekommen: „Die Leute würden schon gerne ein realistischeres Bild von sich in den Medien sehen. Alter ist noch etwas, das unattraktiv ist, aber es liegt auch an einer gewissen Blindheit der Werbemacher.“ Die Geschäftsführerin vom Pensionistenverband geht mit der Werbebranche ähnlich hart ins Gericht. „Wir reden seit 20 Jahren davon, dass sich das Bild von älteren Menschen in Zukunft ändern wird“, so Zehetner. Der Pensionistenverband vergibt deshalb jedes Jahr die „Seniorennessel“, einen Negativ-Preis für besonders klischeehafte oder diskriminierende Werbungen. Ein gutes Bild von Senioren wird mit der „Seniorenrose“ belohnt. Der letzte Preisträger war Wohnpartner Wien, die 2015 für ein besseres Zusammenleben von Jung und Alt warben. 

Die Werbeindustrie sucht noch weiter nach einer Formel, mit der sie die kaufstarke „silver economy“ richtig ansprechen kann. Der Opa aus der Edeka-Werbung hat zwar für Aufmerksamkeit gesorgt, aber der einsame Mann, der seinen Tod vortäuschen musste, um an Weihnachten seine Familie zu sehen, ist dieses Jahr nicht mehr im Fernsehen. Er wurde im neuesten Edeka-Spot von Kindern verdrängt.

Werbung für und mit alten Menschen bleibt eine Randerscheinung. Zu sehr gehen die Meinungen auseinander, wie das Bild dieser Gruppe sein sollte. Die Werbebranche arbeitet mit zwei Stereotypen, die beide vom Zielpublikum nicht angenommen werden und schließen daraus, dass man Menschen nicht mit ihrem Alter konfrontieren sollte. Die Expertinnen sehen das aber anders. Aus ihrer Erfahrung zeigt sich, dass es realistische Bilder des Alters braucht, um einen Wiedererkennungswert zu erzeugen. Dann klappt es auch mit der Werbung.

(Von Patrick Krammer)

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