Freizeit

Leidenschaft durch alle Generationen

Pia Seiser
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»Die Energie, die Kinder zu viel haben, fehlt den Alten.«

Stefan Regal - Autor, Herausgeber und Kolumnist (1965)

62 Prozent der 15 bis 29-Jährigen sind in mindestens einem Verein Mitglied. Das besagt eine Studie des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung. Bei den 30 bis 49-Jährigen sind es 53 Prozent, bei den über 50-Jährigen 57 Prozent.  In Österreichs Vereinen leben, arbeiten und trainieren also unterschiedlichste Altersgruppen miteinander. Im Reitverein Wiener Neustadt in Niederösterreich trainieren etwa Personen im Alter von vier bis 77 Jahren. Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Lichtenwörth, rund zehn Kilometer von Wiener Neustadt entfernt, sind die jüngsten Mitglieder zehn Jahre alt – und die bleiben der Feuerwehr meist ein Leben lang erhalten. Eines haben alle Mitglieder - egal welcher Verein, egal welches Alter - gemeinsam: viel Energie für ihre Leidenschaft. 

Reitverein Wr. Neustadt: „Alter ist kein Thema“

Donnerstag, 10 Uhr. Sonnenstrahlen fallen durch die Fenster der hölzernen Reithalle und werfen Lichtstrahle in den Sand.  Von der Decke hängen vereinzelt Spinnweben.  Die Fenster sind leicht verstaubt, teilweise einen Spalt geöffnet. Hier, in der Reithalle des Reitvereins Wiener Neustadt, wird heute trainiert.  „Zum Aufwärmen erst einmal ganz entspannt Schritt am langen Zügel. Ja genau so. Super“ – Verena Zach ist 39 Jahre alt, Reittrainerin und Obfrau des Vereins. Sie steht in der Mitte der Reithalle.  Um sie herum reitet Ingrid Hornsteiner. Mit aufrechter Haltung sitzt sie auf einem großen, braunen Pferd. Ingrid Hornsteiner folgt den Anweisungen der Trainerin, das Pferd folgt ihren Anweisungen. Ingrid Hornsteiner ist 77 Jahre alt.

Reitverein Wiener Neustadt
Reitverein Wiener NeustadtPia Seiser

Sie hat vor fünf Jahren mit dem Reiten begonnen – auf Anraten ihres Arztes. „Ich war nach einer langen Krankheit sehr schwach und der Arzt hat mir zum Reiten geraten, um wieder fit zu werden“, erzählt sie. Seit dem trainiert sie im Reitverein Neunkirchen und im Wiener Neustädter Reitverein. Hornsteiner kann sich noch gut an die Anfänge in Wiener Neustadt erinnern. „Ich bin vom ersten Augenblick an super aufgenommen worden und hab mich auch sofort integriert gefühlt trotz meines fortgeschrittenen Alters und dafür bin ich sehr dankbar“, erzählt sie mit einem Lächeln.

Hornsteiner: „Ich habe sofort dazu gehört“

Im Sommer hat Hornsteiner den Reiterpass – eine Reitprüfung mit Praxis- und Theorieteil – abgelegt. Trainiert hat die 77-Jährige dabei auch mit vielen Kindern. „Ich wurde vielleicht ein bisschen mehr angeschaut“, Hornsteiner lacht, „aber ich war eine von vielen und habe sofort dazu gehört – so habe ich es empfunden.“ Alter würde hier im Reitverein keine Rolle spielen, meint sie. „Ich empfinde es hier so, dass kein Unterscheid gemacht wird. Ich habe vielleicht ein bisschen einen anderen Stil, ein bisschen langsamer vielleicht alles, aber ich empfinde eigentlich keinerlei Unterschied und es wird auch von den Trainern kein Unterschied gemacht zwischen alt und jung.“

Das bestätigt auch Obfrau Verena Zach. „Wir unterscheiden weder geschlechtsspezifisch noch nach Generationen.“ Im Wiener Neustädter Reitverein trainieren Buben und Mädchen im Alter von vier Jahren, aber genauso erwachsene Männer und Frauen bis aktuell 77 Jahren. Die unterschiedlichsten Generationen gibt es im Reitverein aber nicht nur bei den Reitschülern, sondern auch bei den Trainern.  „Unsere Voltigierübungsleiter, die den Longe-Unterricht machen, sind teilweise Schüler und Studenten, die aber dann auch Schüler bis zu den Senioren hinauf unterrichten“, erklärt Zach. 

„Kleine profitieren von Erfahrung der Größeren“

Zum Beispiel Anna Haslinger. Die Jus-Studentin ist 22 Jahre alt und unterrichtet im Wiener Neustädter Reitverein. Sie ist auch für die Jüngsten im Verein zuständig – die Voltigiergruppe. Jeden Dienstag und Samstag trainieren Kinder ab vier Jahren auf dem Pferd und auf der Tonne. Das Voltigieren ist für Zach ein Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Generationen im Reitverein funktioniert. Unterstützt wird die 22-jährige Voltigiertrainerin nämlich von Kindern aus dem Verein. „Die Kleinen profitieren sehr gut von der Erfahrung der Größeren, die das Wissen an die Kleinen weitergeben, mit Spaß vorleben. Die Kleinen schauen auf und bewundern die Großen“, erzählt Zach.

Reitverein Wiener Neustadt
Reitverein Wiener NeustadtWNR

Die 22-Jährige profitiere sowohl von den Trainerkollegen unterschiedlichsten Alters, aber auch von ihren Reitschülern, die sich durch verschiedene Altersklassen ziehen: „Die verschiedenen Generationen führen mir unterschiedliche Sichtweisen zum Reitsport allgemein, aber auch zu einzelnen Lektionen im Speziellen vor Augen – und so bekommt man eine vielfältige Sichtweise, die einen im Training, aber auch im Leben nützt.“

Obfrau Zach: „Das Alter ist noch nie erwähnt worden“

Neben den Trainern und den Schülern ist auch der Vereinsvorstand bunt gemischt – von Vorstandsmitgliedern mit 23 bis mit über 85 Jahren. „ Die Zusammenarbeit funktioniert optimal – alle Veranstaltungen werden auch zusammen organisiert, gefeiert und gelebt“, so Zach. Sie blickt kurz nachdenklich in die Luft: „Das Alter ist da eigentlich noch nicht einmal erwähnt worden.“ Generationskonflikte gäbe es im Wiener Neustädter Reitverein nicht - im Gegenteil. Das Zusammenkommen von so vielen verschiedenen Generationen hält die Obfrau für einen Profit für das Vereinsleben.

Pia Seiser

Feuerwehr Lichtenwörth: Alle Generationen ziehen an einem Strang

Johann Pidlich ist 83 Jahre alt. Er ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Lichtenwörth. Und das seit seinem 18. Lebensjahr. „Damals nach dem Krieg hat es nichts gegeben, da war es eine Selbstverständlichkeit zur Feuerwehr zu gehen.“ Von 1971 bis 1990 war Pidlich Kommandant der Feuerwehr Lichtenwörth, mit 65 Jahren wechselte er dann vom Aktivstand in den Reservistenstand. Er ist aber nach wie vor Mitglied und steht seinen Kameraden mit Rat und Tat zur Seite. So wie 29 weitere Feuerwehrmänner in der so genannten Reserve. Die ältere Generation ist nicht mehr bei schwierigen Einsätzen mit dabei, berät aber den Einsatzleiter und hilft bei Veranstaltungen oder dem alljährlichen Feuerwehrfest. 

Feuerwehr profitiert von Generationenvielfalt

Das ist auch der Tag im Jahr, an dem alle verschiedenen Altersklassen der Feuerwehr zusammenkommen: Feuerwehrleute im Alter von 10 Jahren bis hin zu über 80-Jährigen. „Es ist schön gemeinsam an einem Strang zu ziehen, und das ist ja auch das Ziel der Feuerwehr“, sagt Martin Kellner. Er ist 27 Jahre alt und seit 12 Jahren Feuerwehrmitglied. Vom Zusammenarbeiten von so vielen verschiedenen Generationen würde die Organisation profitieren, meint Kellner. „Die Älteren haben die Erfahrung und können das an die Jungen weitergeben.“ Das bestätigt auch Pidlich: „Ich habe damals allerhand gelernt von den Älteren.“ 

Dass die Zusammenarbeit funktioniert würde sich regelmäßig bei Einsätzen zeigen, aber auch bei altersbedingten Übergaben von verschiedenen Positionen in der Feuerwehr. „Wir wissen meist schon Jahre zuvor, dass eine Übergabe stattfinden wird. Der Ältere schult seinen Nachfolger dann lange Zeit ein, sodass er optimal auf seine neue Aufgabe vorbereitet ist“, erklärt Kellner.

Feuerwehr-Nachwuchs lernt von den Älteren

Die jüngsten Feuerwehrleute sind zehn Jahre alt. Mit diesem Alter werden sie bei der Feuerwehrjugend aufgenommen. Jeden Montag trifft sich die Leiterin der Jugendgruppe, Kathi Zusag, mit ihren Schützlingen - 17 an der Zahl. Zusag vermittelt dem Nachwuchs praktisches und theoretisches Wissen zur Freiwilligen Feuerwehr - so wie es ihr auch vor vielen Jahren vermittelt worden ist. Sie hat nämlich selbst bei der Feuerwehrjugend begonnen. Mittlerweile ist Zusag 21 Jahre alt und selbst aktives Mitglied bei der Lichtenwörther Feuerwehr – als einzige Frau. „In der Feuerwehrjugend werden die Kinder auf den Aktivstand vorbereitet“, erklärt sie. Mit 16 Jahren dürfen die Jugendlichen bei richtigen Einsätzen mithelfen. Bis dahin legen die Kinder verschiedene Abzeichen ab und trainieren bei Übungseinsätzen.

Pia Seiser
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Jasmin Locher ist 13 Jahre alt und seit dem Sommer Mitglied der Feuerwehrjugend in Lichtenwörth. „Ich will einmal so werden wie die Kathi“, sagt sie und schaut ihre Betreuerin mit leuchtenden Augen an. „Ich bin zur Feuerwehr gekommen, weil mein Papa auch dabei ist, und jedes Mal, wenn er von Einsätzen nach Hause gekommen ist und erzählt hat, habe ich das voll cool gefunden und wollte das auch unbedingt machen“, erzählt die 13-Jährige.  In der Feuerwehr wird die Jugendarbeit sehr ernst genommen. „Die Jugend ist unsere Zukunft“, sagt Pidlich, „und so lernen die Kinder pflichtbewusst zu sein.“ Auf der anderen Seite würden aber auch die älteren Feuerwehrmitglieder von den Jugendlichen profitieren. „Die Älteren lernen so immer die Neuheiten kennen“, so der 83-Jährige. 

Kellner: „Es ist ein guter Mix“

Die Zusammenarbeit zwischen Alt und Jung funktioniere bei der Feuerwehr Lichtenwörth also auf allen Ebenen: Bei Einsätzen, Übungen, Festen sowie bei der Ausbildung des Nachwuchses. „Es ist ein guter Mix, der funktioniert“, sagt Kellner. Teilweise bringt das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Generationen aber auch Konflikte mit sich. „Wenn die Jungen etwas Neues gelernt haben und es sofort durchsetzen wollen, blockiert das die ältere Generation oft“, schildert Kellner. Konflikte, wie dieser, seien aber lösbar: „Die Älteren holen die Jüngeren so auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und so entsteht im Endeffekt dann ein guter Mix.“ Ein guter Mix, mit dem die Feuerwehr schon seit Jahrzehnten arbeitet.  

(Von Pia Seiser)

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