Absturz: Dollarschwäche bremst Aufschwung

(c) AP (Michael Probst)
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Die weltweit wichtigste Währung steckt in der Krise. Die EU warnt vor dramatischen Konsequenzen. Die Rufe nach einer neuen Reservewährung werden immer lauter. Vor allem China zeigt sich besorgt.

Jean-Claude Trichet, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), ließ mit einer ungewohnt dramatischen Aussage aufhorchen: Der Kursverfall des US-Dollar gefährde die wirtschaftliche Stabilität Europas. Noch deutlicher wurde Nicolas Sarkozy. Die Ungleichgewichte auf dem Währungsmarkt würden die Wirtschaft der EU ins „Desaster“ führen, ließ der französische Präsident am Dienstag ausrichten.

Tatsächlich befindet sich die US-Währung seit Wochen auf rasanter Talfahrt. Am Dienstag musste man für einen Euro schon 1,495 Dollar zahlen, so viel wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Experten schließen einen weiteren Kursverfall nicht aus, was für Sorgenfalten nicht nur in Europa, sondern auch in China sorgt. „Die Presse“ beantwortet dazu die wichtigsten Fragen:

1. Warum bereitet der schwache Dollar der EU Sorgenfalten?

Inmitten einer tiefen Rezession streut der Absturz des Dollar Salz in die ökonomischen Wunden der EU. Viele Volkswirtschaften, darunter Deutschland und Österreich, hängen überdurchschnittlich von Ausfuhren ab. Die USA sind außerhalb Europas der wichtigste Markt für die Exporteure. Dort werden durch den Dollarverfall die europäischen Produkte im Verhältnis zu den inländischen Waren teurer. Den Exporten in die USA droht daher ein Einbruch.

„Das ist ein Problem, das uns beschäftigt“, sagte Zentralbankchef Trichet Montagabend. Das Drama wird für die Europäische Zentralbank durch ihr klar definiertes Ziel der Inflationsbekämpfung verschärft. Ortet die EZB Inflationsgefahr, müsste sie die Zinsen anheben, um zu bewirken, dass Anleger Euro aus dem Markt nehmen, weil die Anlage auf dem Sparbuch interessanter wird. Die Folge ist nicht nur eine geringere Inflation, sondern auch eine weitere Stärkung des Euro-Kurses gegenüber dem Dollar.

2. Was bedeutet der starke Euro für den österreichischen Bürger?

Zunächst betrifft die mögliche Schwächung der Konjunktur jeden Bürger, nicht zuletzt durch das Fehlen von Arbeitsplätzen. Allerdings bringt der starke Euro auch Vorteile, vor allem für den reisenden Europäer. Flüge amerikanischer Fluglinien werden billiger, ebenso wie Hotels oder der Einkaufsbummel. Die Luxusgeschäfte an der Fifth Avenue in New York vermelden einen Anstieg europäischer Touristen in Rekordhöhe.

Österreichische Börsianer, die in US-Aktien investiert sind, erleiden hingegen Einbußen. Ein großer Teil der Kursgewinne an den Aktienmärkten wird durch den Kursverlust des Dollar aufgefressen.

3. Droht der Dollar seinen Status als Weltwährung zu verlieren?

Das ist kurz- bis mittelfristig so gut wie ausgeschlossen. Zwar machen China, Indien, Brasilien und auch die arabischen Staaten immer wieder Andeutungen in diese Richtung. Allerdings hängen sie noch viel zu stark von der Rolle des Dollar als Weltwährung ab, um tatsächlich rasch auf eine andere Währung umzusteigen. Die genannten Nationen halten US-Staatsanleihen in Billionenhöhe. Verliert der Dollar seinen Status, wäre ein Kursverfall unumgänglich, und die Reserven würden in kürzester Zeit an Wert verlieren.

Langfristig aber ist das Szenario einer Ablöse des Dollar keineswegs ausgeschlossen. Eine viel diskutierte Alternative wäre ein vom IWF verwalteter Korb aus verschiedenen Währungen, dessen Durchschnitt als neue Reservewährung herangezogen wird.

4. Warum spielt China so eine
entscheidende Rolle?

Die Volksrepublik hält mit Abstand die meisten Währungsreserven der Welt. Per Ende September belief sich der Wert auf 2,27 Billionen Dollar, Ende Juni waren es 2,13 Billionen Dollar. Welcher Wert davon in Form von US-Staatsanleihen gehalten wird, gibt China nicht bekannt. Schätzungen reichen von zumindest 800 Mrd. Dollar bis hin zu 1,7 Billionen Dollar. Der Grund liegt in der hohen Verschuldung der USA. Die Vereinigten Staaten finanzieren ihre Staatsschuld durch den Verkauf von Anleihen.

China könnte durch den Verkauf dieser „Treasury Bonds“ den Dollarkurs jederzeit deutlich beeinflussen, würde sich damit aber ins eigene Fleisch schneiden, weil die gehaltenen Anleihen an Wert verloren haben. Außerdem hält China die eigene Währung durch Eingriffe der Zentralbank absichtlich schwach, um seine Exporte zu stärken. Im Gegensatz zur EU und den USA lässt die Volksrepublik den Wert ihrer Währung nur eingeschränkt vom Markt bestimmen.

5. Warum stoppen die USA den
Absturz des Dollar nicht?

Die Einflussnahme Chinas auf die Kursentwicklung der eigenen Währung stößt Washington übel auf. Die USA halten den chinesischen Yuan nach wie vor für unterbewertet. Das schadet den Exporten in Richtung China und trägt zum Ungleichgewicht in der Handelsbilanz bei. Deshalb stört der Kursverlust gegenüber dem Euro nur bedingt, weil die USA in Europa einen nun billigen Absatzmarkt für ihre Produkte sehen.

6. Wie wird es mit dem Kurs
des Dollar weitergehen?

Europäische Ökonomen sprechen gern von einem „fairen Wert“ von 1,25 Dollar für einen Euro. Das würde allerdings das angesprochene Ungleichgewicht zwischen Dollar und chinesischem Yuan weiter verstärken. Deshalb schließen amerikanische Ökonomen einen weiteren Absturz des Dollar ganz und gar nicht aus. „Solange sich an der aktuellen Stimmung nichts Dramatisches ändert, wird der Kurs des Dollar weiter fallen“, sagt beispielsweise Paul Mackel, ein Analyst der britischen Bank HSBC.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2009)

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