Ein Reformplan ohne Inhalt

Malta vor dem EU Gipfel 170202 VALLETTA Feb 2 2017 EU flag and Malta flag are seen a day
Malta vor dem EU Gipfel 170202 VALLETTA Feb 2 2017 EU flag and Malta flag are seen a day(c) imago/Xinhua (imago stock&people)
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Die EU sollte reformiert werden und Bürger besser einbeziehen. Aber bis auf Schlagwörter gibt es dabei keinen Fortschritt. Zu groß ist die Angst vor Wahlen.

Brüssel/Valetta. Bei dem heutigen Gipfeltreffen in Malta geht es nicht nur um die Frage des Umgangs mit Flüchtlingen und die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien, sondern auch darum, wie die Union nach dem Brexit ausgestaltet werden soll. Dieser Diskussionsprozess wurde im vergangenen September beim informellen EU-Gipfel in Bratislava eingeleitet, führt nun über Valletta und sollte eigentlich Ende März beim Festakt zu 60 Jahren Römische Verträge in der italienischen Hauptstadt präsentiert werden. Bei dieser Gelegenheit wollten die europäischen Entscheidungsträger eine große Reform der EU präsentieren. Soweit jedenfalls die Theorie.

In der Praxis geht es allerdings deutlich prosaischer zur Sache, wie ein Diskussionspapier für das heutige Treffen belegt, das vom Büro des Ratspräsidenten, Donald Tusk, in Kooperation mit der italienischen Regierung (also den Gastgebern des Gipfels in Rom) erarbeitet wurde – das Dokument liegt der „Presse“ vor. „Die Europäische Union befindet sich an einem historischen Wendepunkt“, heißt es darin, weil sie einerseits von außen unter Druck gerät und andererseits im Inneren durch den Austritt Großbritanniens geschwächt ist. Um die EU unbeschadet durch den Sturm zu führen, sei es vonnöten, „einig zu bleiben und den Bedürfnissen der Bürger besser zu entsprechen“.

Vertiefte Wirtschaftsunion

Die Verfasser des Diskussionspapiers orten vier Bereiche, in denen die Staats- und Regierungschefs eingreifen sollten: Erstens die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen und den europäischen Institutionen verbessern und die Europäische Union als globalen Player positionieren; zweitens Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern – unter anderem durch die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion; drittens die Reisefreiheit innerhalb der EU hochhalten und gleichzeitig die Außengrenzen sichern sowie viertens die soziale Dimension des europäischen Integrationsprozesses nicht außer Acht lassen.

Nach den Vorstellungen von Ratspräsident Tusk soll die heutige Diskussion in die „Römer Deklaration“ einfließen, die Ende März feierlich beschlossen werden soll. An inhaltlicher Substanz mangelt es bis dato allerdings sehr – und dabei dürfte es bleiben, bis die EU-Kommission ihren Teil beisteuert. In der Brüsseler Behörde wird derzeit an einem Weißbuch zur Reform der Union gearbeitet. Nach ursprünglichen Plänen sollte das Reformkonzept Anfang März (also rechtzeitig zum Treffen in Rom) präsentiert werden – doch daraus wird aller Voraussicht nach nichts, denn die niederländische Regierung hat dem Vernehmen nach ihren Einspruch eingelegt. Der Grund: Mitte März wird in den Niederlanden gewählt, und angesichts der guten Umfragewerte für den Rechtspopulisten und Europafeind Geert Wilders braucht die Regierung in Den Haag keinen Plan zur Vertiefung der EU. Nachdem im April und Mai die Franzosen zu den Wahlurnen gerufen werden und Ende September die deutsche Bundestagswahl ansteht, dürfte man also mit konkreten Reformvorschlägen weiter zuwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2017)

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