Menschenrechtskonvention sichert Versammlungsfreiheit ab

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In Wien wurden 2016 laut Polizei 8123 Versammlungen angemeldet - untersagt wurden 26. Bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz drohen in Österreich sechs Monate Arrest oder Geldstrafen bis zu 720 Euro.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sorgt mit seinen Vorschlägen zur Einschränkung des Demonstrationsrechts für Diskussionen. Die Versammlungsfreiheit ist in Österreich im Staatsgrundgesetz (Artikel 12) verankert und durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) abgesichert. "Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten", heißt es im Artikel 11 der EMRK. Einschränkungen sind nur erlaubt, soweit sie in einer demokratischen Gesellschaft nötig sind, um Sicherheit, Ordnung, Gesundheit und Moral sowie Rechte und Freiheiten anderer zu schützen.

Beschränkungen des Versammlungsrechts werden in Österreich immer wieder diskutiert. Anlass dafür boten in der Vergangenheit etwa die Demonstrationen österreichischer Erdogan-Unterstützer, Zusammenstöße zwischen rechtsradikalen Identitären und linksradikalen Gegendemonstranten oder diverse Spaßparaden am Wiener Ring wie etwa ein Bademantel-Umzug zu Ehren des Schlagermusikers Udo Jürgens.

2016 wurden in Wien 26 Versammlungen untersagt

Eine "allgemein zugängliche Versammlung" ist zwecks Erleichterung der Einsatz- und Verkehrsplanung durch die Polizei spätestens 24 Stunden vorher bei der Bezirkshauptmannschaft bzw. der Landespolizeidirektion anzumelden. Ein Verbot ist bisher nur möglich, wenn eine Kundgebung "die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet" oder wenn ihr Zweck "den Strafgesetzen zuwiderläuft". In der Praxis kommt das selten vor: In Wien wurden 2016 laut Polizei 8123 Versammlungen angemeldet - untersagt wurden 26.

Eine explizite Genehmigung einer Kundgebung ist, anders als vielfach angenommen, nicht nötig. Auch spontane Versammlungen werden vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit geschützt. Die Auflösung solcher nicht angemeldeter "Spontanversammlungen" ist nur unter engen Voraussetzungen möglich - also etwa, wenn es zu Gewalt oder Sachbeschädigung kommt. Eine spontane Versammlung ohne Anzeige ist allein kein Auflösungsgrund. Aufgelöst wurde im Vorjahr keine Demonstration, wie die Polizei am Freitag sagte. Nicht angemeldete Demonstrationen gab es demnach 30.

Sechs Monate Arrest oder Geldstrafen bis zu 720 Euro

In der Praxis führen auch Ausschreitungen nicht zwangsläufig zur Auflösung - etwa wenn die Beendigung unverhältnismäßig oder nicht durchsetzbar wäre. Laut Menschenrechtskonvention gilt bei Krawallen bzw. Ausschreitungen, bei denen zwischen friedlichen und gewalttätigen Gruppen klar differenziert werden kann, das Bürgerrecht der Versammlungsfreiheit für friedliche Demonstranten weiter. Bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz drohen in Österreich sechs Monate Arrest oder Geldstrafen bis zu 720 Euro.

Einschränkungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts gab es zuletzt vor allem in undemokratischen bzw. autokratischen Ländern wie Russland oder der Türkei. In Russland wurden etwa die Strafen für Organisatoren und Teilnehmer nicht genehmigter Demonstrationen existenzgefährdend erhöht. Auch dort wurde unter anderem argumentiert, dass die Versammlungen den "Rhythmus des Stadtlebens" verletzt sowie Verkehr und Wirtschaft gestört hätten. Tatsächlich dürfte es aber darum gegangen sein, Massenproteste der Opposition einzudämmen.

(APA)

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