Alles läuft nach Plan für Marine Le Pen

Marine Le Pen ist in der Favoritenrolle für den ersten Wahlgang der Präsidentenwahl.
Marine Le Pen ist in der Favoritenrolle für den ersten Wahlgang der Präsidentenwahl.REUTERS
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In Frankreich startet die Chefin des Front National den Wahlkampf. Die Ausgangslage für die Rechtspopulistin könnte nicht besser sein. Sie erscheint vielen als einzig plausible Alternative.

Vor ihren Anhängern im Konferenzzentrum Cité International in Lyon reißt Marine Le Pen beim Betreten der Tribüne schon wie eine Siegerin die Arme hoch und lässt sich bejubeln. Sie hat einigen Grund zur Vorfreude beim Wahlkampfauftakt an diesem Wochenende. Noch bevor sie ihre Kampagne richtig begonnen hat, steht sie als Favoritin fest. Alle Wahlumfragen besagen seit Wochen, dass sie am 23. April in der ersten Runde der Präsidentenwahl am besten abschneiden werde. Laut den aktuellen Prognosen liegt sie derzeit mit 25 bis 27 Prozent der Stimmen in Führung, was ihr den Einzug in die Stichwahl sichern würde. Erfahrungsgemäß unterschätzen die Meinungsforscher ihren Wähleranteil in der Regel sogar noch. In Frankreich hat man sich weitgehend damit abgefunden, dass Marine – wie nicht nur Anhänger, sondern auch Gegner sie nennen – bei der Stichwahl gleichsam gesetzt ist.


Links und rechts sind diskreditiert. Momentan läuft alles wie geschmiert für sie. Die traditionellen Parteien von links und rechts haben sich in den letzten Jahren abwechselnd mit einer nicht sehr erfolgreichen Regierungspolitik und diversen Skandalen diskreditiert. Amtsinhaber François Hollande ist so unpopulär, dass er im Voraus kapitulieren und auf eine Kandidatur für eine Wiederwahl verzichten musste. Seine sozialistischen Parteikollegen haben zwar einen Präsidentschaftskandidaten nominiert, doch der Linksaußen Benoît Hamon spaltet die Genossen im Parti Socialiste. In der Folge könnten viele Sozialisten und selbst Regierungsmitglieder den Linksliberalen Emmanuel Macron unterstützen. Konkurrenz kommt zudem von Yannick Jadot, dem Kandidaten der Grünen, und dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon.

Le Pens bürgerlicher Gegner, der Kandidat der Partei „Les Républicains“, François Fillon, steckt erst recht in größten Schwierigkeiten, seitdem bekannt geworden ist, dass er seine Frau und zwei seiner Kinder als parlamentarische Mitarbeiter angestellt und aus öffentlichen Mitteln bezahlt hat, ohne dass er in der Lage wäre, Hinweise auf eine effektive Arbeit seiner Familienmitglieder zu liefern. Auch das ist Wasser auf die Mühle der Rechtspopulisten. Es fehlte eigentlich nur noch ein weiteres Attentat eines Jihadisten, um die von Marine Le Pen beschworene Bedrohung durch den Islam zu untermauern. Seit Freitag hat sie durch das Messerattentat eines Ägypters vor dem Louvre ein weiteres Argument bei der Hand. Der Kampf gegen die Immigration und den Islam hat für sie Priorität im Wahlkampf.


Anleihe bei Trump. Doch mit dem Rückenwind gibt sich Le Pen nicht zufrieden, wie ihr Wahlprogramm beweist. Sie hat ihre eigenen Lehren aus dem Erfolg von Donald Trump in den USA gezogen: Analog zu seiner Parole „America First“ möchte sie mit einer Volksabstimmung die nationale Bevorzugung der französischen Staatsangehörigen in der Verfassung verankern. Diese verbietet eine explizite Diskriminierung auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt. Arbeitgeber, die ausländische Arbeitskräfte anstellen, sollen im Gegenteil künftig eine zusätzliche Strafsteuer bezahlen. Trump ist für den Front National explizit ein Vorbild für die Rückkehr zu einem „Protektionismus der Nationen“ und das „Ende des Ultraliberalismus“, wie es heißt.

Mit einer dreiprozentigen Abgabe auf Importwaren möchte sie eine Kaufkraftprämie von ca. 80 Euro für Rentner und Erwerbstätige mit weniger als 1500 Euro monatlich finanzieren. Le Pen kommt so den Erwartungen ihrer Wähler entgegen. Laut einer Cevipof-Studie wählen 40 Prozent der Arbeiter den Front National, der sich heute als Frankreichs Arbeiterpartei bezeichnet. In ihrer populistischen Propaganda, die sich manchmal kommunistischer Muster bedient, hat sie Klassenbewusstsein durch Nationalbewusstsein und Antikapitalismus durch Anti-System-Ressentiments ersetzt.

Mit einem weiteren Referendumwürde sie dann den „Frexit“ einleiten und den Franzosen einen Austritt aus der EU nahelegen, falls Brüssel nicht einer „Rückerstattung“ der nationalen Souveränität in den Bereichen Währungspolitik, Staatshaushalt, Gesetzgebung und territoriale Hoheit durch Grenzkontrollen zustimme. Falls das Volk einem Austritt aus der EU zustimme, werde sie alle Initiativen ergreifen, die heute wegen der EU namentlich in der Immigrationskontrolle nicht möglich seien. Auch aus dem Euro möchte sie aussteigen, in einer ersten Phase nach der Rückkehr zum Franc die französische Währung aber in einer Parität mit dem Euro halten.

Leitmotiv ihres Programms ist es, der Nation die Selbstbestimmung zurückzugeben. Mit dem Kalkül, dass ihre nationalistische Vorstellung einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung den Interessen der Franzosen entsprechen. Mit ihrem Wahlslogan verspricht sie ihnen jedenfalls, in Frankreich wieder für Ordnung zu sorgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2017)

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