Das Vinyl aus dem 3D-Drucker

In Arnoldstein im Kärntner Gailtal arbeitet versteckt der internationale Kunststoffhersteller Chemson.
In Arnoldstein im Kärntner Gailtal arbeitet versteckt der internationale Kunststoffhersteller Chemson.(c) Archiv
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Chemson erfand den ersten druckbaren Kunststoff. Die Kärntner kämpfen wie die gesamte PVC–Branche um ihren guten Ruf.

Wien. Es war ein internationales Rennen – ausgetragen in den Laboratorien der großen Chemiekonzerne – bei dem das Kärntner Unternehmen Chemson mit seinem Hauptquartier im beschaulichen Gailtal mitlief.

Vergangenen Februar kam der Durchbruch: Erstmals gelang es, das vor allem in der Baubranche beliebte Plastik PVC – landläufig als Vinyl bekannt – im 3D-Druck herzustellen. Nach wie vor ist das keinem nach Chemson gelungen. Die Patente liegen im Kärntner Arnoldstein. Obwohl die Tests noch nicht abgeschlossen sind, bekämen sie wöchentlich mehrere Anrufe aus Branchen wie der Raumfahrtindustrie, mit denen sie zuvor nie zu tun hatten, sagt Vorstand Alexander Hofer.

Chemson ist eines jener Unternehmen, auf die der Begriff des „Hidden Champion“ genau zutrifft. Trotz 210 Mio. Euro Umsatz, sieben Standorten weltweit und 560 Mitarbeitern haben wohl nicht viele von der Firma gehört.

Das liegt daran, dass sie eine hoch spezialisierte Nische beliefert: In Arnoldstein und den sechs Werken in Europa, Amerika, Asien und Australien entstehen die chemischen Zusatzstoffe, die dem Vinyl in kleinen Dosen beigemengt werden und für dessen Stabilität, Lebensdauer und seine variablen Materialeigenschaften sorgen. Ob Fenster, Rohre, Kabel, Fußböden oder Folien – „PVC ist der Baukunststoff schlechthin. Und wir entwickeln sein technologisches Herzstück“, sagt Hofer.

Als die PVC-Industrie in Europa wegen Gesundheits- und Umweltbedenken in den Neunzigern in Verruf kam, litt naturgemäß auch Chemson. Der Konzern antwortete an der Seite anderer Branchenführer mit einer groß angelegten Nachhaltigkeitsinitiative, in deren Verlauf man sich in der EU komplett von Blei trennte und stark für das Thema Recycling auftrat. Das trug zwar zur Imagestärkung bei, reduzierte aber die Verkaufsmengen.

Als sich zu dem Strukturwandel die Wirtschaftskrise gesellte und die Rohstoffe auf eine Kursrallye schickte, habe Chemson das bis 2013 in „eine kontinuierliche Krise“ geworfen, erzählt Hofer. Dazu kam, dass der frühere Eigentümer nicht das Geld für wichtige Gegeninvestitionen hatte.

Die Erfahrung sei aber ein guter Lehrmeister gewesen: „Wir müssen langfristig weiterarbeiten und investieren.“ Das tut man seit 2013 unter der Schirmherrschaft der türkischen Oyak-Gruppe. In näherer Zukunft sind Millioneninvestitionen in China, den USA und Indien geplant. Die Durststrecke scheint offiziell beendet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2017)

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