Die Opposition kritisiert die Novelle zum Fremdenrecht. Ab 2013/14 kommt einheitliche schriftliche Matura an allen AHS.
Wien (red.). Was ist für viele Mandatare das Wichtigste bei einer Parlamentssitzung? Bei der Fernsehübertragung gut rüberzukommen! Nur so war es zu verstehen, dass am Mittwoch eine ausufernde Geschäftsordnungsdebatte das Thema Schule zeitweise verdrängte. FPÖ und BZÖ wollten während der Liveübertragung lieber über das Fremdenpaket diskutieren als über die Zentralmatura – und machten das unter dem Vorwand einer Geschäftsordnungsdebatte.
Das Fremdenpaket war auch tatsächlich das umstrittenste Thema an diesem Tag. Freiheitliche und BZÖ befanden das Gesetzespaket von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) für nicht ausreichend, um Massenzuwanderung und Ausländerkriminalität zu bekämpfen. Die Grünen wiederum beklagten unter anderem die Ausweitung der Schubhaftbestimmungen und erinnerten die Koalition daran, dass auch in Österreich Menschenrechte einzuhalten seien.
Menschenrechtssprecherin Alev Korun ärgerte sich zudem, dass man die Beratung der Asylwerber, die oft der deutschen Sprache noch nicht mächtig seien, zurückgedrängt habe, um möglichst wenige Berufungen zu erhalten – und so etwas nenne man dann Verfahrensbeschleunigung.
Dass die Vorlage zu restriktiv sei, sahen freilich nur die Grünen so. Für die FPÖ erregte sich der Abgeordnete Walter Rosenkranz ganz im Gegenteil, dass es sich nur um ein „Reförmchen“ handle, mit dem kein Staat zu machen sei, um das Übel an der Wurzel zu bekämpfen. Österreich sei eines der Länder, in denen das Asylwesen am meisten um sich greife. Die Gesetzeslage werde schamlos ausgenützt, um an Sozial- und Geldleistungen des Staates heranzukommen.
Beschlossen wurde das Gesetz, das im Asylbereich eine Einschränkung von Folgeanträgen, Altersfeststellungen von jugendlichen Asylwerbern sowie vermehrte Schubhaft vorsieht, mit den Stimmen der Koalition. Lediglich die SPÖ-Abgeordnete Sonja Ablinger verweigerte die Zustimmung – sie verließ vor der Abstimmung den Plenarsaal.
Zentralmatura ab 2013
Neben der Novelle zum Fremdenrecht brachte die Regierung noch zwei weitere wesentliche Gesetzesänderungen durch. Mit der Novelle zum Schulunterrichtsgesetz wurden die Grundlagen für die Einführung der teilweise zentral abgehaltenen „Matura neu“ geschaffen. Ab dem Schuljahr 2013/14 wird in den AHS die schriftliche Matura österreichweit einheitlich abgehalten – am gleichen Tag und mit den gleichen Themen. Zusätzlich zur schriftlichen Matura müssen die Schüler dann eine wissenschaftliche Arbeit verfassen und eine mündliche Prüfung ablegen. Die berufsbildenden höheren Schulen sollen 2015 in die Zentralmatura einsteigen. Auch die ÖVP unterstützte die von Unterrichtsministerin Claudia Schmied gewünschten einheitlichen Standards bei der Matura. Das war vor dieser Nationalratsdebatte nicht immer der Fall gewesen.
Deserteure rehabilitiert
Der zweite Beschluss betraf die Unrechtsurteile aus der NS-Zeit. Mit dem am Mittwoch beschlossenen Gesetz wurden nicht nur die Wehrmachtsdeserteure rehabilitiert, sondern sämtliche Urteile mit NS-Unrechtsgehalt aufgehoben. Dazu gehören beispielsweise Urteile wegen „Feindbegünstigung“, aber auch Anordnungen von Erbgesundheitsgerichten. Auch Urteile gegen Homosexuelle werden aufgehoben. Hier gibt es allerdings eine Einzelprüfung, ob ein Delikt auch nach heutiger Rechtslage zu verfolgen wäre. Opfer von Unrechtsentscheidungen, aber auch deren Ehepartner, Geschwister oder Verwandte können sich die Aufhebung der Urteile vom Straflandesgericht Wien bestätigen lassen.
Aufreger ÖBB
Einen Schlagabtausch gab es in der Aktuellen Stunde, in der das BZÖ das Thema ÖBB vorgegeben hatte. Obmann Josef Bucher bezeichnete die ÖBB als Dauerpatienten am politischen Operationstisch. Die Verfehlungen der diversen Bundesregierungen seien umfassend. Der Bündnis-Chef prangerte etwa Spekulationsverluste von 600 Millionen Euro an, weiters die umstrittene Abfertigung für Ex-Bahn-Chef Martin Huber sowie die Verzögerung beim Koralmtunnel.
Infrastrukturministerin Doris Bures konterte: Gerade BZÖ-Politiker seien für viele Probleme bei den ÖBB verantwortlich. Die Strukturreform sei in der schwarz-blau/orangen Regierung umgesetzt worden, die Verkehrsminister stellten damals FPÖ und BZÖ. Nun sieht Bures goldene Zeiten auf die Bahn zukommen. Freunderlwirtschaft werde abgeschafft, das Investitionsprogramm sei das größte der Zweiten Republik und in Sachen Güterverkehr sei man in Europa am besten unterwegs.
Meinung, Seite 31
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2009)