Vermitteln, was Donald Trump den Leuten sagen will

Von Übersetzern, von Dolmetschern und ihren unterschiedlichen Antworten.

Als Angehörige eines der beiden von Anne-Catherine Simon in ihrem Beitrag vom 2. Februar angesprochenen Berufe möchten wir zur titelgebenden „(Ohn-)Macht der Übersetzer“ im Zusammenhang mit der Sprache des neuen US-Präsidenten, Donald Trump, Stellung nehmen.

Anne-Catherine Simon bezieht sich in erster Linie aufs Übersetzen, also die schriftliche Wiedergabe von Texten in einer anderen Sprache. Das Dolmetschen hingegen bezeichnet die mündliche Übertragung des gesprochenen Worts in eine andere Sprache. Gerade unter Mitgliedern unseres Berufsstands sorgt der rhetorische Stil Donald Trumps für Gesprächsstoff.

Die Autorin erwähnt Fragen, die auch wir uns immer wieder stellen und oft in Sekundenbruchteilen entscheiden müssen: Wie sind sprachliche Ungereimtheiten eines Redners in die Zielsprache zu übertragen, was ist – auch wenn es nicht gut klingt – wortgetreu wiederzugeben, was kann man unter den Tisch fallen lassen oder zumindest glätten, ohne dadurch bei jenen, die auf die Dolmetschung angewiesen sind, einen falschen Eindruck zu hinterlassen? Diese Fragen stellen sich Übersetzer ebenso wie Dolmetscher. Die Antworten fallen naturgemäß unterschiedlich aus.

Übersetzen ist nicht gleich Dolmetschen

Während man beim Übersetzen den Originaltext bis zum Ende lesen kann, bevor man das erste zielsprachliche Wort schreibt, somit vorab weiß, wohin die Reise geht, und sich Lösungen für allfällige erratische Aussagen überlegen kann, heißt es beim Dolmetschen dranbleiben und in der Sekunde entscheiden. Besteht im Normalfall die Möglichkeit, in der Übersetzung durch ein „sic!“ klarzumachen, dass die sprachlichen Auffälligkeiten bereits im Original vorhanden waren, kann bei einer Dolmetschung, zumindest auf höchster politischer Ebene oder live im TV, in der Regel nichts Vergleichbares eingeworfen werden. Das tägliche Brot der Dolmetscherinnen und Dolmetscher ist es, die Originalbotschaft inhaltlich und stilistisch so getreu wie möglich in einer anderen Sprache wiederzugeben.

Diskrete Mittler

Wir verstehen uns als neutrale und diskrete Mittler zwischen unterschiedlichen Welten. Dazu gehört durchaus, sprachliche Holprigkeiten auch einmal zu glätten – etwa wenn jemand nicht seine Muttersprache spricht und deshalb Fehler macht. Wo eine ungeschliffene, sehr einfache oder inkohärente Sprache jedoch zum unverkennbaren Stil einer Person gehört, geben wir diese – soweit wie möglich – in unserer Dolmetschung wieder. Dass uns dies vor so manche Schwierigkeit stellen kann, ist klar. Genauso können aber auch brillante Rhetoriker wie Barack Obama eine Herausforderung sein.

Übergeordnetes Ziel bleibt das Ermöglichen einer möglichst einwandfreien Kommunikation, sei es auf politischer Ebene, bei Fachkongressen, in Kultur, Wirtschaft oder im Asylverfahren. Die eigene politische Einstellung darf dabei nicht in die zu übertragende Botschaft einfließen.

Gerade in einem freien Gewerbe macht das professionelle Herangehen an die Herausforderungen unseres Berufs den Experten aus und bewahrt ihn unter anderem davor, ob der oft unvorhersehbaren rhetorischen Wirrungen eines Donald Trump in sprachlose Ohnmacht zu verfallen.

AIIC, der einzige weltweite Verband der Konferenzdolmetscher, trägt mit seinen über 3000 Mitgliedern – davon etwa 70 in Österreich – seit über 60 Jahren dazu bei, dass internationale Kommunikation trotz sprachlicher Barrieren erfolgreich stattfinden kann.

Mag. Denise Tschager und Mag. Ursula Riezinger sind Mitglieder des Internationalen Verbands der Konferenzdolmetscher (AIIC) – Region Österreich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2017)


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