Flughafen-Vorstand: Urteil zu dritter Piste "falsch und diskriminierend"

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Der Flughafen Wien kündigte außerordentliche Rechtsmittel an. Die Asfinag sieht darin aber kein Präjudiz für den Lobautunnel.

Der Flughafen Wien wird alle möglichen Rechtsmittel gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) ergreifen, in dem der Bau der dritten Piste untersagt wird. Das Gericht habe den Verlust von Ackerland und die Sorge vor steigendem CO2-Ausstoß über alle anderen Erwägungen gestellt und damit sich selber zu einem "Über-Gesetzgeber" gemacht, kritisiert Flughafen-Vorstand Günther Ofner.

"Wenn man das ernst nimmt, heißt das, auch unter dem Gesichtspunkt Bodenverbrauch, es darf kein neues Haus gebaut werden, es darf keine zusätzliche Straße gebaut werden und es darf auf keine Fall eine zusätzliche Betriebsanlage gebaut werden", kritisiert Ofner, denn alle die Projekte würden zu CO2-Ausstoß führen und Boden verbrauchen. Das würde einem Investitionsstopp gleichkommen, daher müsste der Bundesgesetzgeber darüber entscheiden. Sollte aber aus dieser Überlegung speziell nur die dritte Piste verboten werden, dann wäre das "schwerwiegend diskriminierend", sagt der Flughafenvorstand.

Leichtfried befürchtet Auswirkungen auf Standort

Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) hat sich eher kritisch zur Entscheidung gegen die dritte Piste geäußert. "Das heißt schon, dass es für den Wirtschaftsstandort Einschränkungen gibt", sagte er am Freitag im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio. Das Urteil sei jetzt zur Kenntnis zu nehmen.

Für Leichtfried ist es auch juristisch bemerkenswert, dass scheinbar erstmals Klimaschutz als Grund in das Urteil eingeflossen ist. Für andere Infrastrukturprojekte, etwa im Straßenbau, sieht der Minister bei Ausbauten für die Verkehrssicherheit keine Gefahr, doch bei Neubauten werde sich künftig diese Frage schon stellen. "Ich bin dafür, dass man immer objektiv gewichtet", meinte Leichtfried. Klimaschutz sei sehr wichtig, aber auch Mobilität sei wichtig.

Zahl der Flüge nicht gesenkt

"Mit Sicherheit" werde es eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) geben, "wahrscheinlich" auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), sagte Flughafen-Vorstand Ofner. "Es ist beispiellos, sich ein Projekt herauszupicken und zu sagen, das ist jetzt verantwortlich für die österreichischen Klimaschutzverpflichtungen". Es gehe bei der Revision weit über die Interessen des Flughafens hinaus. "Wir können mit dem Mangel leben, aber es wäre ein K.O.-Schlag für die Wirtschaftsentwicklung Österreichs."

Dazu komme, dass durch die Verhinderung der dritten Piste die Zahl der Flüge nicht gesenkt würde - sie würden nur in andere Städte umgeleitet, erwartet Ofner. "Die Annahme, dass dadurch, dass man den Flughafen Wien für die Zukunft blockiert, man einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, ist völlig absurd", schließt Ofner daraus.

Asfinag sieht kein Präjudiz für Lobautunnel

In der Entscheidung sieht die Asfinag kein Präjudiz für den umstrittenen Lobautunnel (S1-Verlängerung). Das sagte Planungsleiter Thomas Grünstäudl am Freitag auf Anfrage der APA. Das Mega-Vorhaben wird derzeit ebenfalls vom BVwG geprüft. Gegner des Mega-Vorhabens befürchten bekanntlich negative Auswirkungen auf die Umwelt. Eine Art von Vorentscheidung durch den Stopp für die Flughafenpiste - vor dem Hintergrund der vom BVwG angeführten höheren CO2-Belastung - will man für den betreffenden Abschnitt der Wiener Außenring-Schnellstraße (S1) zwischen Süßenbrunn und Schwechat allerdings nicht ableiten. "Das ist jetzt keine Entscheidung, die mich schockiert - weder für die S1 noch für andere Projekte von uns", versicherte Grünstäudl.

Zuversichtlich stimmt den Asfinag-Planungsleiter auch, dass das BVwG erst kürzlich drei Bauvorhaben genehmigt habe, "die vom Wesen her mit dem Lobautunnel vergleichbar" seien. Dabei geht es um die S3 (Weinviertler Schnellstraße) zwischen Hollabrunn und Guntersdorf sowie den West- und Ost-Abschnitt der S7 (Fürstenfelder Schnellstraße) zwischen Heiligenkreuz und dem Anschluss zur Südautobahn (A2) beim Knoten Riegersdorf. Für erstere gab es erst im Jänner das Okay, für letztere im vergangenen Oktober.

Grünen: "Grund zur Freude"

Die Guidance des Flughafen Wien in Bezug auf die für 2016 von den Aktionären zu erwartende Dividende bleibe vollinhaltlich aufrecht, so der Flughafen am späten Donnerstagabend. Die Dividende für das abgelaufene Jahr 2016 werde deutlich - um rund ein Viertel als Zusatzprozentsatz - ansteigen, hatte der Vorstand heuer am 17. Jänner erklärt. Für das Jahr 2015 hatte der Airport die Dividende von 1,65 Euro auf 2 Euro je Aktie angehoben.

Für die Grünen Niederösterreichs sei die Entscheidung ein „Grund zur Freude“. Für Helga Krismer, Landessprecherin der Grünen Niederösterreich, ist dieses Urteil "mutig, weitsichtig und bahnbrechend": „Da dem Klimaschutz in Artikel 4 der Landesverfassung eine besondere Bedeutung zukommt und Klimaziele auf allen Ebenen beschlossen wurden, ist das öffentliche Interesse nicht mehr und nicht weniger als das Überleben der Menschheit. Das Urteil trägt dem Rechnung."

Freude bei den Grünen

Die rote Karte des Bundesverwaltungsgerichts muss auch der Regierung zu denken geben“, sagte der Umweltsprecher der Grünen Wien, Rüdiger Maresch. „Der Bau einer dritten Piste hätte eine Verdoppelung der Flugbewegungen bis 2030 auf ca. 460.000 zur Folge gehabt. Nicht nur stark erhöhte Feinstaubwerte wären die Folge, auch die Lärmbelastung der WienerInnen steigt und führt zu gesundheitlichen Problemen", so Maresch. Auch die Umweltorganisation VIRUS begrüßt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. UVP-Experte Wolfgang Rehm "Die Entscheidung zeigt, dass die Einführung der Verwaltungsgerichte 2014 zu mehr Ergebnisoffenheit beigetragen hat, die auch vor großen Infrastrukturprojekten nicht Halt macht".

Scharfe Kritik an der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kommt aus der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). „Die Entscheidung hat schwerwiegende negative Folgen für den Wirtschafts-, Tourismus- und Beschäftigungsstandort Wien und Österreich. Die rechtliche Argumentation des Gerichts erscheint fragwürdig“, betont Stephan Schwarzer, Leiter der umweltpolitischen Abteilung in der WKÖ in einer Aussendung. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Investitionsvorhaben und den Auswirkungen des Klimawandels sei nicht argumentierbar.

Einen österreichischen Flughafen wegen vermeintlichen Klimaschutzes zu verbieten, der im Rahmen der weltweiten Luftfahrt einen Bruchteil der Emissionen stellt, sei absurd, so der WKÖ-Experte weiter. Wenn die Bevölkerung Österreichs jährlich um 80.000 Menschen wächst und Wien daran überproportional beteiligt ist, ist es schwer vorstellbar, dass der wichtigste internationale Flughafen des Landes mit seiner bisherigen Kapazität das Auslangen finden kann.  

Wirtschaftskammer: Rückschlag für Wirtschaft

NÖ Wirtschaftskammerpräsidentin Sonja Zwazl hat das Nein zur dritten Piste am Flughafen Wien in Schwechat als "Rückschlag für den Wirtschaftsstandort" bedauert. Sie hoffe, dass das angekündigte rechtliche Vorgehen des Airports gegen die Entscheidung Erfolg haben werde.

Die Verkehrsinfrastruktur sei Lebensader für Niederösterreichs Wirtschaft, "in der Luft ebenso wie zu Lande und auf dem Wasser", so Zwazl. Sie bezeichnete die dritte Start- und Landepiste in einer Aussendung der WKNÖ als Drehscheibe für den Export und Tourismus als "ein absolutes Muss". Der Flughafen Schwechat könne mit den jetzigen Kapazitäten künftig nicht das Auslangen finden: "Die Entscheidung gegen die dritte Piste ist damit auch eine Entscheidung, die negativ für den Standort und damit in der Folge für den Arbeitsmarkt ist."

Es bleibe abzuwarten, ob es tatsächlich zu einem Aus für das Projekt kommt, erklärte Wirtschaftslandesrätin Petra Bohuslav (ÖVP). Bohuslav betonte in ihrer Stellungnahme zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Bedeutung des Flughafens als wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor im Bundesland: rund 20.000 Menschen seien in mehr als 230 Firmen (Flughafen, Airlines, Speditionen, Handelsbetriebe) beschäftigt. Außerdem hat er eine große Bedeutung als Verkehrsdrehscheibe für den Standort Niederösterreich.

(APA)

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