Die emotionale Seite des Hundes

Stefanie Riemer (hier mit ihren eigenen Hunden Nicky und Nayeli) testet an verschiedenen Hunderassen, wie sich deren Emotionen am besten bewerten lassen.
Stefanie Riemer (hier mit ihren eigenen Hunden Nicky und Nayeli) testet an verschiedenen Hunderassen, wie sich deren Emotionen am besten bewerten lassen.(c) Annika Huber
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Die Hundeverhaltensforscherin Stefanie Riemer untersucht, was sich im Gesicht und Körper der Tiere abspielt, wenn sie sich freuen oder Angst haben.

Wohl jeder hat schon einmal Hunde beobachtet, die sich auf einen Leckerbissen freuen und aufgeregt am Besitzer hochspringen oder sich während des Silvesterfeuerwerks winselnd unter dem Tisch verkriechen. Die 32-jährige Stefanie Riemer will das genau verstehen: Sie ist in ihrer Forschung auf den Hund gekommen und will belegen, welches Ausdrucksverhalten Hunde in verschiedenen emotionalen Situationen zeigen.

Die aus Bisamberg stammende Niederösterreicherin baut seit März des Vorjahres an der Abteilung Tierschutz der Vetsuisse-Fakultät der Uni Bern ein Hundeverhaltensforschungslabor auf, das sie künftig leiten wird. Es sei lang verpönt gewesen, das Wort „Emotion“ in Zusammenhang mit Hunden zu erwähnen, erzählt sie. Doch mittlerweile sei gut belegt, dass auch Tiere Emotionen empfinden. Zum Ausdrucksverhalten von Emotionen bei Hunden gibt es laut der Forscherin jedoch kaum wissenschaftliche Literatur. In ihrem Projekt will sie das sogenannte Dog Facial Action Coding System, kurz DogFACS, anwenden. Mit diesem Codierungssystem ist es möglich, Gesichtsausdrücke von Hunden genau auszuwerten, um diese anschließend bestimmten Emotionen zuzuordnen.

Von persönlicher Erfahrung inspiriert

„Wir wollen verschiedene Hunderassen in verschiedensten Situationen testen und herausfinden, anhand welcher Hinweise sich Emotionen am besten unterscheiden lassen“, so Riemer. Dabei werden Verhalten, Körpersprache und Gesichtsausdrücke sowie physiologische Messungen miteinbezogen.

Dass sich die junge Forscherin mit Hunden wissenschaftlich beschäftigt, hat einen kleinen Grund. Dieser heißt Nicky und ist einer ihrer beiden Hunde. Riemer studierte zunächst Populationsökologie an der Universität Wien. Während sie an ihrer Diplomarbeit über Spechte im Nationalpark Donauauen arbeitete, holte sie den Hund aus einem slowakischen Tierschutzheim. Dieser war monatelang in einer Box gehalten worden und „konnte in dieser Zeit nichts kennenlernen“, erzählt Riemer. Entsprechend verängstigt war der Hund gegenüber Menschen und Hunden. Mit viel Einfühlungsvermögen erreichte die damalige Studentin, dass sich Nicky bei Menschen, jedoch nicht bei Hunden, mittlerweile vollkommen unbefangen verhält. Persönliche Erfahrungen, die sie auch für ihre Forschungsarbeit inspirierten.

Riemer besuchte schon damals auch Vorlesungen am Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien und half als Praktikantin bei kognitiven Tests mit Hunden am Clever Dog Lab, das heute am Messerli-Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien angesiedelt ist. Doch die Erfahrungen mit ihrem Hund gaben den Ausschlag, dass sie sich in weiterer Folge für ein PhD-Studium entschied: „Es war Lernen am Hund, Lernen durch den Hund. Diese persönlichen Erfahrungen haben zu dem Interesse geführt, sodass ich dann auch in meiner Dissertation die Persönlichkeitsentwicklung bei Hunden erforscht habe.“

Weiters beschäftigte sich die Hundeverhaltensforscherin in ihrer Dissertation auch mit der Verhaltensentwicklung von Border Collies. Die Forscher begleiteten die Tiere von der Geburt an bis zum Alter von 24 Monaten. Riemer untersuchte, ob sich gewisse Persönlichkeitsmerkmale im Laufe eines Hundelebens änderten. Sie kam zum Schluss, dass Merkmale wie Ängstlichkeit, Aggression gegenüber Menschen bzw. anderen Tieren sowie Trainierbarkeit mit dem Alter zunehmen.

Die ersten Wochen und Monate prägen

Die Persönlichkeit des Hundes an sich hat sich, ihrer Studie zufolge, aber bereits im Alter von sechs Monaten manifestiert. Das ist für Riemer ein deutlicher Hinweis, dass ein frühes positives Eingreifen in die Erziehung eines Hundes besonders prägend für den Hundewelpen ist. „Die ersten Lebenswochen bis zum Alter von etwa drei Monaten sind in einem Hundeleben eine sehr wichtige Phase.“ In dieser Zeit könne ein negatives Erlebnis ganz besonders eindrücklich sein: „Das ist die sensible Phase, die Sozialisierungsphase.“

Das Doktorat schloss sie schließlich mit der in Österreich größten Auszeichnung, einer Sub-Auspiciis-Promotion, ab. Dabei gratuliert der Bundespräsident persönlich zu einer Serie ausgezeichneter, nämlich sehr guter Leistungen von der Oberstufe bis zum Rigorosum. Und wie belohnt sich die junge Forscherin in der Freizeit? Da spielt sie Geige. Oder geht mit ihren beiden Hunden im nahen Wald spazieren.

ZUR PERSON

Stefanie Riemer wurde 1984 in Stockerau, Niederösterreich, geboren. Sie studierte Biologie an der Universität Wien. Das Doktoratsstudium schloss sie 2014 sub auspiciis, also im Beisein des Bundespräsidenten, ab. Während des Doktorats und danach erforschte sie an der englischen Universität Lincoln das Verhalten und die Emotionen bei Hunden. Derzeit baut sie an der Universität Bern, Schweiz, ein Hundeverhaltensforschungslabor auf.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2017)

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