BND-Affäre. Der deutsche Bundesnachrichtendienst hatte offenbar auch Landwirtschaftsministerium im Visier. Doch die Republik Österreich zeigt wenig Eifer bei der Aufklärung.
Wien. Es gibt zwei Sätze, die Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, heute wohl nicht mehr so formulieren würde. Der erste ist: „Wir schaffen das“, der zweite: „Abhören von Freunden, das geht gar nicht.“ Die Kanzlerin hat sich in letzterem Zitat über den NSA-Lauschangriff auf ihr Handy empört. Das war vor den Enthüllungen gewesen, wonach ihr Bundesnachrichtendienst (BND) selbst jahrelang Ministerien und Spitzenpolitiker befreundeter Staaten ausspionierte. Zu den Zielen auf den BND-Listen zählte „so ziemlich jede europäische Regierung“. Österreich nahm der Dienst aber auffallend breit ins Visier, „bis hinunter zum Agrarministerium“. Das enthüllte nun die „Süddeutsche Zeitung“.
In dem Ressort am Stubenring, das heute Andrä Rupprechter führt, interessierte sich der deutsche Auslandsgeheimdienst für LAP. Das Akronym steht für Landwirtschaftspolitik. Andere Kürzel sind TEF für Terrorfinanzierung oder ISG für islamistische Gefährder, wie der „Spiegel“ einmal schrieb. Das Magazin hatte schon im Vorjahr berichtet, dass das Wiener Innenministerium vom BND ausspioniert wurde, sowie „zahlreiche mittelständische Unternehmen in Österreich und der Schweiz“. Nun also auch das Landwirtschaftsministerium.
Lang schien es, als saugten die deutschen Nachrichtendienstler nur im Auftrag der befreundeten NSA ab. Die USA lieferten also die Suchanfragen, sogenannte Selektoren, der BND fragte ab und teilte mit den Kollegen. Das war aber nur die halbe Wahrheit. Der deutsche Nachrichtendienst spionierte „befreundete Staaten“ auch auf eigene Faust aus, wie nach und nach ans Licht kam. Die Liste der Ziele des BND reichte dabei um die halbe Welt, von Israels Premier Benjamin Netanjahu über Frankreichs Außenminister Laurent Fabius bis zu Unternehmen wie Eurocopter und Nichtregierungsorganisationen wie dem Roten Kreuz. Auch für Österreichs Landwirtschaftsministerium soll sich ausdrücklich der deutsche Dienst mit Sitz im bayrischen Pullach interessiert haben – und nicht die NSA.
„Uns liegen keine Informationen vor“
In Wien galt die NSA- und BND-Affäre als ausgestanden – jedenfalls politisch. Es gab zuletzt spürbar wenig Interesse, sich in der Abhöraffäre auf diplomatische Verwicklungen mit Deutschland einzulassen, also die Kanzlerin an ihr Zitat mit dem Abhören und den Freunden zu erinnern. Und das dürfte auch so bleiben. „Uns liegen keine Informationen dazu vor“, erklärte Natascha Ungar, Sprecherin des Landwirtschaftsministers, Andrä Rupprechter, der „Presse“ knapp zu den Enthüllungen über das Agrarministerium. Und das Innenministerium spielte den Ball auf „Presse“-Anfrage an die Staatsanwaltschaft weiter. „Die Ermittlungen laufen noch“, hieß es dort lediglich. Das Innenministerium hatte schon 2013 Anzeige gegen unbekannt erstattet – wegen „Verdachts auf nachrichtendienstliche Tätigkeit zum Nachteil der Republik Österreich“.
Wie lang die Republik im Visier des BND gewesen ist, lässt sich nicht sagen. Der Geheimdienst soll jedenfalls ab Oktober 2013 die Spionage gegen befreundete Staaten, darunter Österreich, eingestellt haben. Die Enthüllung um die Sammelwut der Dienste mündete zudem in einem neuen BND-Gesetz. Zu Ende ist die Debatte damit nicht. Zwar wurden einige Kontrollen angezogen. Kritiker monieren aber, dass das Gesetz dem BND das Anzapfen von Internetknoten nach Genehmigung des Kanzleramts erlaubt.
Merkel im U-Ausschuss
Was wieder zurück zu Angela Merkel führt. Wann die Kanzlerin von der Spionage gegen befreundete Regierungen erfuhr, zählt zu den großen unbeantworteten Fragen in dieser Affäre. Der BND jedenfalls untersteht ihrem Kanzleramt. Am Donnerstag steuert deshalb der NSA-U-Ausschuss, der sich zusehends um den BND drehte, auf seinen Höhepunkt zu: Dann ist Merkel zu Gast. Allerdings hinter verschlossenen Türen.
Bei der Aufarbeitung der Affäre ist vieles vertraulich, also Geheimsache. So wie die Abfrage der Spionageziele des BND. Nach Angaben der „SZ“ dürfen die Abgeordneten des U-Ausschusses zwar Einsicht nehmen, aber nur im Neubau des BND, auf einem Computer ohne Internetzugang. 1000 Seiten lang soll die Liste sein. Das Länderkürzel für Österreich dürfte sich darauf mehr als einmal finden. (strei/cu)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2017)