Immerhin treten sie gemeinsam auf

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Wahlen(c) Clemens Fabry
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Die Koalition einigt sich auf ein neues Wahlrecht, das das Wort neu kaum verdient. Die Hofburg will man zurechtstutzen. Möglicherweise zu sehr.

Vielleicht sollte man hierzulande schon damit zufrieden sein, wenn Rot und Schwarz sich gemeinsam hinsetzen und bei einer Pressekonferenz eine Einigung verkünden. Wahrscheinlich aber nicht.

Aus der groß angekündigten Wahlrechtsreform wurde bei der Präsentation am Mittwoch ein Reförmchen. Ja, es ist gut, wenn ein Vorwahltag eingeführt wird, an dem Bürger ihre Stimme abgeben können, wenn sie am eigentlichen Wahltag nicht in der Gemeinde sind. Ja, es ist gut, wenn das neue Briefwahlkuvert stabil ist, die Daten des Wählers aber nicht wie zuletzt von außen sichtbar sind. Wenn die Koalition in dem an Journalisten verteilten Reformpapier aber als Neuerung extra hervorhebt, dass man über eine Info-Hotline die Listennummern der Kandidaten abfragen können soll, weiß man, wie klein die Reform wirklich ausgefallen ist.

Kein Mandatsbonus für die stärkste Partei, wie ihn sich Kanzler Christian Kern in seinem Plan A wünscht. Kein Mehrheitswahlrecht, wie es manch ÖVP-Politiker immer wieder angeregt hat. Keine direktere Wahl der Abgeordneten, keine bürgernahe Gestaltung der Wahlkreise. Auch wenn derartige Reformen neue Koalitionen und Mehrheiten ermöglichen könnten. Wenn die Klubchefs von SPÖ und ÖVP darauf verweisen, dass eine derart große Reform an der nötigen Zweidrittelmehrheit und damit an der Opposition scheitere, ist das nur die halbe Wahrheit. Auch unter den Abgeordneten der Koalitionsparteien gibt es genug, die beim bisherigen Verhältniswahlrecht bleiben wollen. Manche aus hehren Motiven, weil dieses die Stimmen am fairsten gewichtet. Manche aber auch, weil sie um ihr Mandat fürchten, wenn der Wähler mehr Macht bekommt und die Parteiliste weniger zählt.

Weitergehende Reformen will die Koalition nun in einer Enquete diskutieren lassen. Das ist ein netter Ausdruck für Auf-die-lange-Bank-Schieben. Immerhin einig sind sich SPÖ und ÖVP darin, dass sie dem Bundespräsidenten ein paar Rechte wegnehmen wollen. Dass der Bundespräsident etwa nicht mehr Strafgefangene begnadigen können, sondern diese Möglichkeit auf das Justizministerium übergehen soll, ist richtig. Auch, dass der Mann in der Hofburg nicht mehr Strafrechtsverfahren niederschlagen oder Kinder für ehelich erklären können soll, ist sinnvoll. All diese Rechte haben etwas Monarchisches, klingen nach einer längst vergangenen Zeit und passen nicht zu einem republikanischen Oberhaupt.

Zudem will die Koalition nun zweifelsfrei festlegen, dass der Bundespräsident nur das formelle Zustandekommen eines Gesetzes (hat es das Parlament mit der nötigen Mehrheit beschlossen?) beurkunden und gar nicht mehr auf den Inhalt schauen darf. Heinz Fischer hatte sich einmal das Recht einer inhaltlichen Prüfung herausgenommen und so das Inkrafttreten eines offensichtlich verfassungswidrigen Gesetzes verhindert.

Dass der Herr in der Hofburg selbst Verfassungsgerichtshof spielt, ist tatsächlich abzulehnen. Aber wenn man dem Präsidenten schon Rechte nimmt, sollte man ihm in diesem Zusammenhang auch ein neues geben. Nämlich, Gesetze des Nationalrats vor Inkrafttreten dem Verfassungsgerichtshof vorlegen zu können, wenn der Präsident grobe Bedenken hat. Dann könnten die Höchstrichter rasch und vorab klären, ob ein Gesetz wirklich verfassungskonform ist. Im Nachhinein kann das nämlich dauern, wenn erst ein rechtsuchender Bürger die Gerichte bemühen muss.

Nicht unproblematisch ist auch die Idee, dass der Bundespräsident das Recht, Bundesbeamte zu ernennen, weitgehend verlieren soll. Denn es kam schon vor, dass die Hofburg hier nicht dem Vorschlag der Regierung gefolgt ist. Und in einem Land, in dem der Proporz bei Stellenbesetzungen gerne einmal über der Kompetenz der Kandidaten steht, kann ein waches Auge in der Hofburg vor Ernennungen nicht schaden.

Ein Bundespräsident soll kein Monarch sein, aber wichtige Kompetenzen behalten, damit das Gefüge im Staat ausbalanciert bleibt. Denn nur für Neujahrsansprachen braucht man nun wirklich kein eigenes Staatsoberhaupt zu wählen.

E-Mails an:philipp.aichinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2017)

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