EU-Parlament segnete Start von Ceta ab

EU-Parlament
EU-Parlamentimago/PanoramiC
  • Drucken

Nach dem Ja aus Straßburg muss der Handelsvertrag mit Kanada noch von nationalen Parlamenten und regionalen Parlamenten ratifiziert werden. Eine Mehrheit der österreichischen EU-Abgeordneten stimmte dagegen.

Straßburg. Das Europaparlament hat am Mittwoch das Freihandelsabkommen mit Kanada mit klarer Mehrheit abgesegnet. Der größte Teil des Vertrags kann damit vorläufig in Kraft treten. Insgesamt stimmten 408 Abgeordnete für Ceta, 254 dagegen, 33 enthielten sich. Unter den 18 österreichischen EU-Abgeordneten überwog die Ablehnung. Alle fünf ÖVP-Abgeordneten sowie die einzige Neos-Abgeordnete Angelika Mlinar stimmten dafür, die SPÖ-, FPÖ- und grünen Abgeordneten hingegen dagegen. Auch die industriefreundliche FPÖ-Abgeordnete Barbara Kappel – der von Parteikollegen ein Abweichen in der Handelspolitik vorgeworfen wurde – votierte letztlich mit Nein.

Der Abstimmung war eine äußerst emotionale Debatte voran gegangen, in der sich sowohl Befürworter als auch Gegner des Abkommens Verantwortungslosigkeit vorwarfen. ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas, ein Befürworter von Ceta, warnte davor, dass sich die EU abzuschotten beginne wie derzeit die USA. „Wer das macht, verliert.“ FPÖ, Grüne und Sozialdemokraten warnten hingegen vor den im Vertrag vorgesehenen Sonderklagerechten für Investoren. Die Schiedsgerichte, die sich mit diesen Klagerechten befassen sollen, werden allerdings vorerst noch nicht umgesetzt. Für sie ist noch die Zustimmung aller nationalen und einiger regionaler Parlamente notwendig.

Während Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und die gesamte Bundesregierung im Rat der EU (Gremium der EU-Regierungen) vergangenes Jahr grünes Licht für den Vertrag mit Kanada gegeben hatten, stimmten nun alle SPÖ-Abgeordnete im Europaparlament gegen Ceta. Der Vertrag sei „kein Teufelswerk“, aber er gebe nicht die richtige Antwort auf die Globalisierung, argumentierte die SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz. Trotz der unterschiedlichen Einschätzung bei Ceta, gebe es zwischen den EU-Abgeordneten und dem Bundeskanzler keine Differenzen, versicherte kürzlich die SPÖ-Delegationsleiterin in Straßburg, Evelyn Regner, im Gespräch mit der „Presse“. Dem Vernehmen nach soll es aber durchaus heftige Diskussionen über Druck aus Wien gegeben haben.

In Österreich müssen der Nationalrat und der Bundesrat das Abkommen ratifizieren. Erst dann können beispielsweise die im Vertrag vorgesehenen Schiedsgerichte ihre Arbeit aufnehmen. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen könnte noch ein Veto einlegen. Dass letztlich alle 37 in der EU befassten Parlamente dem Vertrag zustimmen, gilt als wenig wahrscheinlich. Stimmt nur ein Abgeordnetenhaus dagegen, kann der Vertrag nicht in Kraft treten.

Entweder alles oder nichts

Laut dem Europa-Rechtsexperten der Salzburger Universität, Stefan Griller, müsste bei einer solchen Ablehnung auch jener Teil ausgesetzt werden, der nun vorläufig in Kraft treten kann. Dieser Hauptteil des Vertrags betrifft vor allem das Handelsrecht, für das die EU alleinig zuständig ist. Die Reduzierung von Zöllen, die Aufhebung von Handelsschranken sowie weitere administrative Erleichterungen etwa für den Dienstleistungssektor wären aber obsolet, sobald die Ratifizierung in den nationalen oder regionalen Parlamenten scheitert. In der EU-Kommission in Brüssel gibt es für den Fall einer einzelnen Ablehnung eines Mitgliedstaates noch keine Erfahrung. Ein solcher Widerstand gegen ein gemeinsam ausgehandeltes internationales Abkommen wäre ein Novum.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zeigte sich über das Ergebnis der Abstimmung im Europaparlament erfreut: „Wir haben ein gutes und für beide Seiten faires Abkommen erreicht, das den Handel beleben und Arbeitsplätze sichern wird. Davon profitiert gerade ein Exportland wie Österreich.“ (ag./wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Demonstranten vor dem EU-Parlament in Straßburg.
Österreich

EU-Parlament gibt endgültig grünes Licht für Ceta

Nach einer emotionalen Parlamentsdebatte war die Zustimmung zu dem Abkommen mit Kanada höher als erwartet. Teile des Deals könnten im Frühjahr in Kraft treten.
Österreich

Zukunft von Ceta bleibt ungewiss

Für die vorläufige Anwendung des Abkommens EU/Kanada bedarf es nur noch der Zustimmung des Europaparlaments. Doch wird es in Mitgliedstaaten gestoppt?
Forscher warnen vor Versuchen einer „Renationalisierung“ wichtiger EU-Politikfelder.
EU-Handelsabkommen

Ceta: „Renationalisierung bedroht die EU“

60 Forscher warnen vor einer Aushöhlung des EU-Entscheidungsprozesses. Blockaden durch nationale und regionale Parlamente unterminieren ihrer Ansicht nach das Europäische Parlament.
Österreich

Handelspakt EU-Kanada nimmt die nächste Hürde

Handelsausschuss des Europaparlaments gibt grünes Licht, das Plenum stimmt über Ceta voraussichtlich im Februar ab. Eine Blaupause für das Freihandelsabkommen mit den USA ist Ceta längst nicht mehr, denn der neue US-Präsident ist ein Protektionist – und TTIP gilt als „tot“.
Der kanadische Premier Justin Trudeau bei der Vertragsunterzeichnung.
Österreich

EU-Handelsausschuss segnet Ceta ab

Das Handelsabkommen mit Kanada nimmt eine wichtige Hürde. Bis Februar soll nun das gesamte Plenum des EU-Parlaments zustimmen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.