Deniz Yücel stellte sich den Behörden, die ihm „Terrorpropaganda“ vorwerfen.
Istanbul. Eine Reihe von privaten und geschäftlichen E-Mails von Berat Albayrak, türkischer Energieminister und Schwiegersohn des Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, landete vor geraumer Zeit auf der Enthüllungsplattform Wikileaks.
Deniz Yücel, Türkeikorrespondent der deutschen Tageszeitung „Welt“, berichtete in mehreren Artikeln über den Inhalt. Die türkischen Behörden werfen ihm deshalb Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Datenmissbrauch und Terrorpropaganda vor. Yücel entschied sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er stellte sich am Dienstag den türkischen Ermittlern, um deren Fragen zu beantworten. Seit diesem Tag befindet er sich in Polizeigewahrsam. Dies berichtete die „Welt“ am Freitag in einer Aussendung.
Bis zu zehn Jahre Haft
Die Texte Yücels handelten von den intensiven Aktivitäten der regierenden AKP in sozialen Medien oder von der Jagd auf Gülen-Anhänger in deutschen Moscheen. Die türkische Regierung ortet den Prediger Fethullah Gülen hinter dem Putschversuch im vergangenen Juli. Neben Yücel haben weitere Journalisten über die E-Mails berichtet. Laut der „Welt“ befinden sich drei in U-Haft.
Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft. Im derzeit geltenden Ausnahmezustand können „Verdächtige“ bis zu 14 Tage lang ohne Richteranhörung festgehalten werden. Der 43-jährige Yücel ist sowohl deutscher als auch türkischer Staatsbürger.
Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, hat jüngst in Ankara Anfang Februar die Einhaltung der Pressefreiheit eingemahnt – auch mit Blick auf Yücel. Sein Name taucht seit mehreren Wochen in Listen mit „Verdächtigen“ auf. (duö)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2017)