Klimawandel lässt Kriminalität steigen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sicherheit in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise: Migration steigt stark an – und wird zu einem entscheidenden Faktor für die Kriminalität im nächsten Jahrzehnt. Heeresexperte Feichtinger: „EU überfordert“.

SAALFELDEN. „Der Klimawandel hat mehr mit Sicherheit zu tun, als wir alle vermuten würden.“ Mit dieser überraschenden Aussage verblüffte Walter Feichtinger, Institutsleiter an der Landesverteidigungsakademie, die Experten aus Polizei und Wirtschaft bei den diesjährigen Österreichischen Sicherheitstagen in Saalfelden. Denn, so führte der Brigadier aus, „von der Vernichtung von Lebensraum werden bis zum Jahr 2020 nicht weniger als 200 Millionen Menschen betroffen sein“.

Nutzbares Land gehe verloren, soziale Spannungen in den betroffenen Ländern würden ausbrechen. Das führe in weiterer Folge zu gewaltigen Strömen an Migration. „Vielen Menschen bleibt nichts anderes übrig als abzuwandern.“ Daraus resultierende illegale Immigration in westliche Staaten hat wiederum einen starken Einfluss auf die Kriminalität.

Heeresstratege Feichtinger macht aber nicht nur den Klimawandel für Migrationsbewegungen verantwortlich. Er sieht derzeit rund 40 bis 50 Staaten weltweit (immerhin ein Viertel aller Länder), die „an der Kippe“ stehen. Hier müsse man sich fragen, ob sie aufgrund innerer Wirren überhaupt weiter existieren könnten. Zudem, so seine Prognose, werde die Jugendarbeitslosigkeit vor allem in den nordafrikanischen Staaten in den nächsten Jahren ansteigen. Zunehmend würden „desorientierte Gesellschaften“ entstehen, und auch dadurch steige wieder der Migrationsdruck.

Genau an diesem Problemfeld hakt eine Studie der Donau-Universität Krems ein: Informatiker Walter Seböck befragte heimische Experten aus Sicherheit, Wissenschaft und Wirtschaft, wie sich die derzeitige Krise auf die Sicherheit der nächsten Jahre auswirke. Für den Bereich der Migration lautete die einhellige Meinung der Befragten: Diese habe einen enormen Einfluss auf die Kriminalität in Österreich. Nicht integrierte Ausländer seien, so die Befragung, in hohem Maße für Diebstähle und Drogendelikte verantwortlich. Als besondere Problemfelder werden zudem die Bereiche Schlepperei, Schwarzarbeit und Kinderhandel gesehen.

Ebenfalls kritisch wird die Abhängigkeit von externen Energielieferanten (Stichwort Gaskrise Anfang dieses Jahres) betrachtet. Einige der Befragten sehen Österreichs kritische Infrastruktur zu wenig geschützt. Für die Prävention heiße das in den nächsten Jahren: Die Polizei wird noch stärker unter Arbeits- und Personaldruck geraten, der private Sicherheitssektor anwachsen. Das wiederum führe in manchen Staaten aber zu einer „Entstaatlichung von Gewalt“, analysiert Feichtinger. Sensible Aufgaben im Bereich der Sicherheit werden an Private übertragen. Wie negativ sich ein derartiges Szenario auswirken könne, sei am Beispiel der Privatarmeen im Irak zu sehen.

Kritik an der EU

Welche Möglichkeiten zur Bewältigung zeichnen sich aber ab? Brigadier Feichtinger meint, Sicherheit erfordere multinationale Kooperationen. Damit komme der EU eine „herausragende Bedeutung zu – die sie aber nicht zu erfüllen vermag“. Man sei aus politischen Gründen zu „zurückhaltend“, so Feichtinger. Auch die von Seböck befragten Experten meinen, internationale Vernetzung sei das Gebot der Stunde. Zudem brauche es effektive „Kontrollmechanismen gegen Migrationsbewegungen“.

Zu den heutigen Herausforderungen für die heimische Polizei nahm auch Herbert Anderl, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Stellung. Er meinte, ein „geordnetes Fremdenwesen und die Senkung der Massenkriminalität“ habe für ihn besondere Priorität. Sein Vorvorgänger, Michael Sika, wünschte ihm dafür viel Glück und erklärte abschließend resigniert: „Diese Probleme lassen sich kurzfristig nicht lösen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2009)

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