Stöger drängt auf Reformen bei Sozialversicherungen

Sozialminister Alois Stöger
Sozialminister Alois Stöger APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Die Unterschiede sind enorm: Einige Krankenkassen zahlen 52 Wochen Krankengeld, andere bis zu 78 Wochen. Von einigen gibt es 500 Euro für Kontaktlinsen, von anderen bis zu 1300 Euro.

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) will noch vor der Nationalratswahl Veränderungen im Sozialversicherungssystem umsetzen. Im Gespräch mit Journalisten zeigte sich Stöger zwar skeptisch, ob die "große, alles verändernde Reform" noch in dieser Legislaturperiode kommen kann. Viele Aspekte der Ergebnisse, die die von ihm in Auftrag gegebene Studie liefern soll, könnten aber realisiert werden.

Stöger gestand zu, dass es nicht leicht werde, auf Basis der von der Studie aufzuzeigenden Optionen dann eine politische Einigung zu erzielen. Gleichzeitig verwies der Minister aber auch darauf, dass von der letzten großen Untersuchung, der sogenannte Häussermann-Studie vor 25 Jahren, auch einige Punkte umgesetzt worden seien.

Erster Zwischenbericht Anfang März erwartet

Die Experten der London School of Economics, die vor Weihnachten mit der Ausarbeitung der Studie beauftragt wurden, haben im Jänner ihr Kick Off-Meeting abgehalten. Derzeit befinden sich die Studienautoren in Wien um mit allen Stakeholdern zu sprechen. Mit Vertretern der Sozialpartner, der Sozialversicherungsträger und der Partner im Gesundheitswesen (inklusive Ärzte- und Apothekerkammer) werden diese Woche strukturierte Interviews geführt. Stöger versicherte, dass deren Standpunkte für die Studie berücksichtigt werden. Ende März soll es einen ersten Zwischenbericht mit einer Ist-Analyse und den Problemen im Status Quo und zur Jahresmitte dann den Endbericht geben.

Der Sozialminister sicherte der ÖVP neuerlich zu, deren Wünsche für etwaige Veränderungen beim Studienkonzept noch zu berücksichtigen. Bisher seien aber keine neuen Fragen des Koalitionspartners bei ihm eingetroffen. Die Kritik an der Studie führte der Sozialminister auch darauf zurück, dass manche eine Harmonisierung der Leistungen der Krankenkassen nach unten wollten. Da er aber eine Verbesserung der Leistungen anstrebe, sei er in die Kritik geraten, meinte Stöger. Auch den Vorwurf, keine Ausschreibung für die Vergabe der Studie gemacht zu haben, ließ der Sozialminister nicht gelten. Dies sei bei Forschungsaufträgen nicht sinnvoll und deshalb seien wissenschaftliche Aufträge auch vom Vergabegesetz ausgenommen. Zur Kritik an den Kosten von 630.000 Euro stellte Stöger fest, dass die Studie 1992 damals zehn Millionen Schilling und damit das Doppelte nach heutigem Geldwert gekostet habe.

"Keine Vorgaben, aber eine Bedingung"

Stöger erwartet sich von der Studie, dass sie Optionen aufzeigt und eine Grundlage für die politische Entscheidung liefert. Sie solle einen Spiegel liefern, wo das System Stärken und wo es Schwächen habe. Der Auftrag sei bewusst sehr offen gehalten, es gebe "keine Vorgaben, aber eine Bedingung: Einheitliche und bessere Leistungen für die Versicherten". Es gehe darum, das System effizienten zu machen, aber nicht um Einsparungen. Sollten durch mehr Effizienz Mittel frei werden, will sie Stöger in bessere Leistungen investieren. Er will die Leistungen "auf hohem Niveau harmonisieren".

Eine Angleichung der Leistungen ist für den Sozialminister vor allem eine Frage der Gerechtigkeit. Als Beispiele nannte er, dass einige Krankenkassen 52 Wochen Krankengeld zahlen, andere bis zu 78 Wochen, einige zahlen 500 Euro für Kontaktlinsen, andere bis zu 1300 Euro, bei der Zeckenimpfung gebe es Unterschiede, ebenso bei Kuren.

Geprüft wird auch die Struktur der Sozialversicherungen wobei auch eine Reduktion der derzeit 22 Träger möglich ist. Dabei geht es zunächst um die Frage, welche Vor- und Nachteile das derzeitige Drei-Sparten-Modell (Kranken-, Pensions-, Unfallversicherung) im Vergleich zu einem Zwei-Spartenmodell (ohne Unfallversicherung) hat. Analysiert werden soll aber auch die regionale Gliederung (neun Gebietskrankenkassen) ebenso wie die Gliederung in Berufsstände und teilweise sogar nach Dienstgeber. Weitere Bereiche der Analyse sind u.a. die Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung, die komplizierten Finanzströme, die Verwaltungskosten, die Kosten- und Beitragswahrheit, die Frage der Selbstbehalte, die Zuständigkeiten für Kur und Rehabilitation aber auch der Umgang mit Betrug im Sozialsystem.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Christoph Neumayer
Österreich

Sozialversicherung: IV will auf vier Krankenkassen reduzieren

Statt der neun Gebietskrankenkassen sollte es nur drei bis vier Kassen für Unselbstständige und eine für Selbstständige geben, sagt IV-Generalsekretär Neumayer.
Seit Jahrzehnten wird in Österreich über Reformen im Gesundheitssystem diskutiert.
Österreich

Machtkampf um die Sozialversicherungen

Kanzler Kern will weniger Sozialversicherungen. Doch die Betroffenen wehren sich gegen Zusammenlegungen – wie die der Wirtschaft nahestehende AUVA.
Ulrike Rabmer-Koller
Innenpolitik

Rabmer-Koller: „Brauchen Plan Z statt Plan A“

Hauptverbands-Chefin Ulrike Rabmer-Koller fährt scharfe Geschütze gegen Kanzler Kern auf: Seine Pläne seien undurchdacht und teuer. Sie befürchtet Beitragserhöhungen als Folge.
INTERVIEW: ALOIS STÖGER
Österreich

Das seltsame Sparverhalten des Sozialministers

Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat bei Experten in London eine Studie über die Effizienz des Gesundheits- und Sozialversicherungssystems in Auftrag gegeben. Eine Ausschreibung gab es nicht. Das Verhalten sorgt nun für Kritik.
Oest. Rotes Kreuz im Einsatz, Notarztkoffer
Wien

Wiens Notarzt-Misere

Mangelnde Wertschätzung, schlechte Bezahlung und kaum Perspektiven – von 78 Planstellen sind lediglich 39 besetzt, was regelmäßig zu dramatischen Versorgungsengpässen führt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.