Ob durch Regenschirme, Pralinen oder Potenzpillen - Giftattentate gaben Ermittlern in der Vergangenheit viele Rätsel auf. Ein Überblick.
24.02.2017 um 14:57
Kim Jong-nam, der Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un, wurde durch das höchst aggressive Nervengift VX ermordet, gaben malaysische Ermittler bekannt. Zwei Frauen dürften ihm die auch als Massenvernichtungswaffe eingesetzte Substanz vergangene Woche ins Gesicht gewischt haben. Hinter dem Attentat könnte der Diktator selbst stecken. Ob für Geheimdienste, politische Gegner oder ehrgeizige Karrieremenschen, ob Rizin, Strychnin oder Polonium, Gift erfreut sich seit der Antike als beliebte Waffe. Ein Überblick.
REUTERS
Knapp drei Wochen siechte der Kremlgegner Alexander Litwinenko in einem Londoner Krankenhaus vor sich hin, bevor der Ex-Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB am 23. November 2006 an einer Vergiftung mit dem radioaktiven Polonium 210 starb. Die hochgiftige Substanz war ihm in London in den Tee gemischt worden. Britischen Ermittlungen zufolge stecken die frühere russische Offiziere hinter dem Mord an den abtrünnigen Exilanten. Litwinenko hatte sich vom russischen Spion zum Kritiker von Präsident Wladimir Putin gewandelt, er arbeitete im Londoner Exil mit anderen Oppositionellen zusammen. Selbst mehr als zehn Jahre nach dem spektakulären Mord sind immer noch nicht alle Rätsel gelöst.
(c) EPA (Litvinenko Family Handout)
"Wollte dir was Wichtiges sagen. Du bist für mich etwas ganz Besonderes", stand in dem Brief an der Windschutzscheibe des Autos des ehemaligen Bürgermeisters von Spitz an der Donau, Hannes Hirtzberger. Der Lokalpolitiker aß auch die beiliegende Praline. Doch das "Mon Cherie" war mit dem Gift Strychnin versetzt, das früher auch als Rattengift verwendet wurde. Seit dem 9. Februar 2008 liegt Hirtzberger im Wachkoma. Ein Gericht verurteilte den nach seinen Angaben lange mit dem Opfer verfeindeten Heurigenwirt Helmut Osberger 2009 zu lebenslanger Haft.
APA/ROBERT JAEGER
26 schweren Operationen musste sich der ehemalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch in den ersten zwei Jahren nach dem auf ihm verübten Giftattentat unterziehen - doch er überlebte. "Ich stand zwischen Leben und Tod." Nach einem Essen mit ukrainischen Geheimdienstlern im Jahr 2004 erkrankte der damalige ukrainische Oppositionspolitiker schwer. Ärzte stellten einen 50.000-fach erhöhten Spiegel des Giftes Dioxin in seinem Blut fest. Auch heute bleibt er mit starken Narben im Gesicht gezeichnet. Er vermutet die Hintermänner in Moskau. Beweise für eine Beteiligung des russischen Geheimdienstes gibt es aber nicht.
EPA/ANDY RAIN
War es ein Giftmord oder nicht? Bis heute ist unklar, woran der frühere Palästinenserführer Jassir Arafat verstarb. Arafat war im November 2004 in einem Militärkrankenhaus bei Paris im Alter von 75 Jahren gestorben. Die Palästinenser vermuten, dass Arafat von Israel vergiftet wurde, was Israel vehement zurückweist. In einem von der französischen Justiz in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht 2013 kamen Experten zu dem Schluss, Arafat sei an "Altersschwäche" gestorben. Doch Schweizer Experten behaupteten zuvor, sie hätten in seinen sterblichen Überresten bis zu 20 Mal höhere Werte des radioaktiven Polonium gemessen als üblich. Zweifelsfrei bestätigen konnten sie einen Tod durch das Gift jedoch nicht.
Reuters/Gary Hershorn
Auch der langjährige Hamas-Führer Khaled Mashaal überlebte ein 1997 auf ihn verübtes Giftattentat. Fünf als kanadische Touristen getarnte Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad sprühten dem radikalislamischen Politiker in der jordanischen Hauptstadt Amman Gift in sein linkes Ohr. Ihr Plan: Mashaal sollte binnen 48 Stunden sterben, sie bis dahin wieder lange außer Landes sein. Doch der Plan des in seiner ersten Amtszeit stehenden Premierministers Benjamin Netanjahu ging nicht auf: Um nicht den Frieden mit Jordanien aufs Spiel zu setzen, schickte Israel ein Gegengift. Israel musste daraufhin der Freilassung des legendären Hamas-Gründers Scheich Ahmed Yassin zustimmen.
EPA/YOUSSEF BADAWI
Der Anschlag auf den bulgarischen Dissidenten Georgi Markow gilt als eines der skurrilsten Verbrechen in der Geschichte des Kalten Krieges. Am 7. September 1978 verspürte Markow beim Warten an einer Londoner Bushaltestelle ein Stechen im Bein. Ein Mann, der eine Art Regenschirm fallen gelassen hatte, entschuldigte sich. Markow bekam kurz darauf hohes Fieber und verstarb vier Tage später im Krankenhaus. Bei einer Obduktion wurde im Bein des Toten eine Platinkapsel mit dem auch in geringsten Dosen giftigen pflanzlichen Gift Rizin gefunden. Markows kritische Analysen waren unter anderem von den Radiosendern Deutsche Welle und BBC in Bulgarien ausgestrahlt worden. Der Anschlag auf den Oppositionellen konnte nie vollständig aufgeklärt werden. Als wahrscheinlichstes Szenario gilt ein Anschlag des bulgarischen Geheimdienstes mit Unterstützung des Sowjetdienstes KGB.
EPA PHOTO PA
Kreativ wurde ein Oberstleutnant der K.u.k.-Armee in seinen Mordplänen: Adolf Hofrichter war ein besonders ehrgeiziger Militär, der sich einen Posten im Generalstab erhoffte. Doch dort waren zu wenige Stellen frei. So verschickte der Soldat mit Zyankali vergiftete Potenzpillen an seine Widersacher. Hauptmann Richard Mader schluckte zwei Pillen vor einem Stelldichein und verstarb kurz darauf. Zehn weitere Offiziere wurden rechtzeitig vorher gewarnt.
(c) imago/Arkivi (imago stock&people)
Doch bereits seit der Antike war Gift ein bewährtes und wirksames Mittel, um Herrschende oder andere politischeGegner auszuschalten. Schon die ägytischen Könige beschäftigten Vorkoster, ebenso römische Kaiser, die prophylaktisch ein aus Kräutern zubereitetes Gegenmittel zu sich nahmen, um sich vor Vergiftungen zu schützen. Auch in der „Personalpolitik“ von Päpsten spielte Gift vor Jahrhunderten eine Rolle. Berühmt berüchtigt ist wohl der Tod des griechischen Philosophen Sokrates, der bei seiner Hinrichtung zur Einnahme des Schierlingsbechers gezwungen wurde.
(c) imago/imagebroker (imago stock&people)
Die spektakulärsten Giftattentate der Geschichte
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.